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Gehälter explodieren – das verdienen die Klinik-Chefs in NRW

Gehälter explodieren – das verdienen die Klinik-Chefs in NRW

Ärztliche Direktoren von Uni-Kliniken in NRW handeln immer bessere Verträge aus. In den vergangenen sechs Jahren gab es im Schnitt ein Gehaltsplus von mehr als 50 Prozent. Ihr Berufsverband findet das okay. Gewerkschafter und Personalräte reiben sich die Augen. Denn an anderer Stelle wird gespart.

Essen. 

Die Einkünfte der ärztlichen Direktoren der sechs Unikliniken im Land sind seit dem Jahr 2006 zum Teil regelrecht explodiert: Zahlen des Landesrechnungshofes, die uns vorliegen, belegen ein Gehaltsplus von im Schnitt 55 Prozent im Zeitraum zwischen 2006 und 2012.

Im Uniklinikum Bonn gab es zwischen 2010 und 2012 sogar einen Aufschlag für die Position des Klinikchefs von 170 Prozent. Die Bezüge stiegen von 204.000 Euro auf 550.000 Euro im Jahr. Der Direktor des Uniklinikums Essen verdiente 2012 insgesamt 568.000 Euro – mehr als doppelt so viel wie ein Landesminister.

Kliniken verzeichnen Millionen-Defizite

Bis 2001, als die Unikliniken in NRW Anstalten Öffentlichen Rechts wurden, war die Position des ärztlichen Direktors ein Ehrenamt, und der Verwaltungschef wurde gemäß Beamtenbesoldungstabelle bezahlt – mit Einkommen unter 100.000 Euro. Seit 2001 sind die Gehälter der Klinikchefs frei verhandelbar. Ergebnis: eine Vervielfachung der Bezüge.

Die Gewerkschaft Verdi kritisiert eine „Schieflage“ zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung der Kliniken und der Entwicklung der Direktorengehälter. „Die Arbeitsbedingungen werden härter, es gibt dort immer weniger Personal. Außerdem haben viele Unikliniken Gesellschaften gegründet, in denen rund 3000 Beschäftigte nicht tarifgebunden sind. Die Unikliniken verzeichnen darüber hinaus Jahresdefizite von bis zu 15 Millionen Euro“, sagte Verdi-Gesundheitsexperte Wolfgang Cremer. Einerseits werde massiv gespart, insbesondere beim Personal, andererseits verdienten die Chefs dieser Krankenhäuser immer mehr. „Wir wollen keine Neiddebatte, aber es gibt eine Schieflage zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung der Kliniken und den Direktorengehältern“, sagt Cremer.

Verbandssprecher verteidigt Gehaltsexplosion

Auch Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler NRW fällt auf, dass die Gehaltssprünge in manchen Jahren „sehr deutlich“ ausfallen. „Einen solchen Anstieg hat es bei normalen Beschäftigten im öffentlichen Dienst nicht gegeben“, sagte Kanski.

Der Verband der Krankenhausdirektoren verteidigt die Gehaltsentwicklung: „Der Job eines ärztlichen Direktors ist mit enormen Risiken verbunden. Das ist ein Schleudersitz und kann auch das Karriereende bedeuten“, sagte Verbandssprecher Peter Asché.

Neues Gesetz ermöglicht Blick auf die Luxus-Einkommen 

Seit 2009 schreibt ein Transparenzgesetz die Veröffentlichung der Direktorenbezüge vor. Die Kliniken haben bisher die Daten von 2010 bis 2012 vorgelegt. An der Uniklinik Köln gewährten Vorstand und Aufsichtsrat dem Chef ein Plus von 36 Prozent, in Münster und Aachen waren es je 22 Prozent. Einzige Ausnahme: Die Uniklinik Düsseldorf. Hier sanken die Bezüge sogar. Von 369.000 Euro auf 336.000 Euro.

Schon vor 2010 stiegen die Gehälter wohl rasant an

Der damalige ärztliche Direktor Wolfgang Raab schied allerdings im Streit. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn. Vorgeworfen werden ihm falsche Abrechnungen in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro, die Raab in seiner Privatambulanz nebenbei verdient haben soll. Der Mediziner bestreitet die Vorwürfe.

Für die Jahre vor 2010 liegen den Landesbehörden entweder keine personenscharfen Gehaltsangaben vor oder sie geben sie aus Datenschutzgründen nicht preis. Der Landesrechnungshof (LRH) ermittelte für uns, wie viel Geld die Klinikdirektoren im Schnitt zwischen 2006 und 2009 verdient haben. Die Datenbasis ist nicht ganz vollständig, aber sie deutet eine rasante Gehaltsentwicklung an.

Die Führungskräfte werden reicher

2006 bekamen die ärztlichen Direktoren der Unikliniken im Schnitt ein Grundgehalt von rund 224.000 Euro sowie Bonuszahlungen von rund 68.000 Euro. 2012 verdienten sie im Schnitt rund 55 Prozent mehr als 2006. Zum Vergleich: Arbeitnehmer in NRW durften sich in diesem Zeitraum über einen Verdienstaufschlag von im Schnitt rund 16 Prozent freuen.

Die Gehälter der Klinikdirektoren folgen einem allgemeinen Trend. Thomas Thurm von der Un­ternehmensberatung Kienbaum Consultants hat für uns recherchiert, wie sich die Vergütung von Fach- und Führungskräften in Krankenhäusern zwischen 2002 und 2013 entwickelt hat. Ergebnis: Die Einkommen stiegen um 151,7 Prozent. Der Durchschnittsverdienst lag zuletzt bei 182.000 Euro.

Verband: Manager bekommen mehr 

Der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) hält die Gehaltsentwicklungen an den NRW-Unikliniken für angemessen. Der Job eines ärztlichen Direktors sei mit enormen Risiken verbunden, erklärt Verbandssprecher Peter Asché. Die Gehälter, in die auch Bonuszahlungen einfließen, seien im Vergleich zu Managergehältern der Wirtschaft in vergleichbaren Unternehmen gering. Die Kliniken hätten bis zu 6000 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von etwa einer halben Milliarde Euro. Zudem seien diese Gehälter notwendig, um die Stellen überhaupt besetzen zu können.

Im Regelfall kämen nur Chefärzte als Direktoren infrage. Da ihre Direktorenverträge befristet seien, müsse man einen finanziellen Anreiz zum Stellenwechsel schaffen. „Die Ärzte geben ihre Klinik auf und kommen aus einer sicheren Gehaltsstruktur in eine unsichere Fünfjahresstruktur.“ Dieses Risiko gehe kaum jemand ein, wenn er nur das Gleiche verdient wie zuvor. Dass die Gehälter in den letzten Jahren drastisch gestiegen sind, erklärt VKD-Sprecher Asché mit der Umstellung von einer nebenamtlichen Position auf eine hauptamtliche. Vor 2001 hätten die Direktoren noch eigene Praxen als Einnahmequelle gehabt.

Zwei-Klassen-Gesellschaft bei Ärzten

Auffällige Gehaltssprünge seien oft dann zu beobachten, wenn die Stelle neu besetzt wird. Laut Asché sind zum Beispiel Mitarbeiterzahl, Umsatz oder Forschungsschwerpunkte ausschlaggebend in den Gehaltsverhandlungen. Er meint: Sollten die Gehaltsvorstellungen unverhältnismäßig werden, dann würde die Landesregierung korrigierend eingreifen. Deren Vertreter sitzen in den Aufsichtsräten, die die Gehälter absegnen.

Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler NRW hält die Höhe der Bezüge einerseits für nachvollziehbar. „Qualität hat ihren Preis, und es handelt sich hier um hochqualifizierte Fachleute“, sagte Kanski. Andererseits verdienten niedergelassene Ärzte, zum Beispiel Internisten oder Gynäkologen, oft nur die Hälfte.

In Baden-Württemberg und in Schleswig-Holstein sind die explodierenden Direktorengehälter längst ein Aufregerthema. NRW hingegen hat es bisher noch nicht entdeckt.