Claus Weselsky, der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), hat seine Mitglieder zum Streik aufgerufen. Er macht ernst mit dem Rekordstreik bei der Deutschen Bahn. Millionen Fahrgäste müssen improvisieren. Was treibt den Mann an? Er riskiert Kopf und Kragen.
Essen.
Claus Weselsky ist der Radikale unter den modernen Arbeiterführern. Unnahbar. Hart. Mit seinen 33 000 Gewerkschaftskollegen, 20 000 Lokführer darunter, versucht er seit Wochen, Deutschland zu lähmen.
Warum tut Claus Weselsky das?
Weil er „Egomane“ ist, sagt sein Vorgänger Manfred Schell, „er führt einen heiligen Krieg’’.„Er ist perfide“, schimpfen sie im Bahnvorstand. „Er ist von Allmachtsphantasien krankhaft besessen“, steht in Blogs – dort, wo man gerne starke Worte wählt.
An diesem Mann, der seinen Bart präzise stutzt, perlt das scheinbar ab. Eisern, immer ohne Lächeln, richtet er den Blick nach vorn. Sächselnd bringt er seine Botschaft unters Volk. „Was ich tue, tue ich für das Zugpersonal in diesem Land“, sagt er. Und: „Streik ist ein legitimes Mittel“. Er nutzt wieder die Formel vom „Streik bis zum Ende“.
Weselsky kämpft um die eigene Zukunft
Weselsky kämpft heute nicht nur um Lohnprozente, sondern um die Existenz. Um die einer der ältesten Gewerkschaften im Land, die die 1876 gegründete Gewerkschaft Deutscher Lokführer ist. Sie käme im Fall eines Gesetzes machtloser daher. Er kämpft aber auch um die eigene Zukunft.
Dafür setzt der geschiedene Vater auf Härte. Nach außen, als er die durch Fusion zustande gekommene größere Gewerkschaft EVG mit „zwei Kranken“ verglichen hat, „die sich miteinander ins Bett legen“ und so „nur etwas Behindertes“ zeugen könnten. Ein entsetzlicher Fehlgriff – umso schlimmer, weil der behinderte Sohn des EVG-Vorsitzenden Kirchner nach der Geburt gestorben war.
Aggressiv auch nach innen
Nicht weniger aggressiv ist der GDL-Chef nach innen. Der Dresdner, der heute in Frankfurt arbeitet, geht Kollegen an, „lässt keinen Widerspruch zu“, wie Weggefährten versichern. Er hat Vorstandskollegen, darunter Vize Sven Grünwoldt, per Federstrich entlassen. Man trifft sich vor dem Richter.
Was muss los sein in einer Arbeitnehmerorganisation, in der es eine Widerstandszelle „Initiative für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ gibt? Die den „sofortigen Rücktritt“ des noch vor drei Jahren mit 90 Prozent gewählten Vorsitzenden fordert, weil er „die GDL schwer beschädigt“. Die auf ihrer Webseite eine regelmäßige Kolumne pflegt über laufende gewerkschaftsinterne Rechtsstreitereien.
Aber, andersherum, welche Gewerkschaft hat schon eine so hohe Kampfkraft mit so wenig Aufwand, eine, die als einzige wortwörtlich umsetzen kann, dass „alle Räder still stehen“? Das ist ein Magnet für einen stolzen Berufsstand.
Noch steht die Mehrheit zu ihm
Noch hält also eine Mehrheit in der GDL zum Boss, auch wenn die erreichten Tarifabschlüsse gerade im Bereich der Privatbahnen nicht immer ihre Erwartungen erfüllt haben. Redet er trocken daher, lauschen die Lokführer andächtig. Sie müssen es dem legendären GDL-Vorgänger Schell auch nicht abnehmen, wenn der andeutet, Weselsky könne seine „eiserne Disziplin“ gegen den „Klassenfeind“ nur in einer „sozialistischen Kaderschmiede“ gelernt haben. Der gelernte DDR-Bürger Claus Weselsky war nie in der SED, nie in der Einheitsgewerkschaft .Der radikalste Gewerkschaftsboss Deutschlands ist, seit 2007, Christdemokrat.