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Ex-Siemens-Chef von Pierer droht lebenslange Haft in Griechenland

Ex-Siemens-Chef von Pierer droht lange Haft in Griechenland

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Foto: ddp
Die griechische Justiz ermittelt wegen Schmiergeldpraktiken gegen frühere Mitarbeiter des Siemens-Konzerns. Prominente Politiker in Athen bleiben bislang unbehelligt. Wenn die Beschuldigten der Ladung nicht Folge leisten, will die Justiz internationale Haftbefehle erlassen.

Athen. 

Lange hat sich die griechische Justiz Zeit gelassen mit den Ermittlungen im Siemens-Schmiergeldskandal. Dafür fährt sie jetzt umso schwereres Geschütz auf. Allerdings nicht gegen die griechischen Empfänger der Bestechungsgelder, sondern gegen deutsche Mitarbeiter des Konzerns. 13 ehemalige Manager bekommen in Kürze eine Ladung aus Athen. Sie sollen als Beschuldigte aussagen. Unter den Geladenen sind auch der frühere Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer und Ex-Vorstand Volker Jung. Es geht um den Vorwurf der aktiven Bestechung in einem besonders schweren Fall sowie um Geldwäsche. Bei einem Schuldspruch droht den Angeklagten lebenslange Haft.

Schmiergeld für lukrative Aufträge?

Siemens soll über Jahre in Griechenland Politiker und Beamte bestochen haben, um lukrative öffentliche Aufträge an Land zu ziehen. Dabei ging es um die Digitalisierung des griechischen Telefonnetzes in den 1990er-Jahren, Kommunikationssysteme für die griechischen Streitkräfte und das Sicherheitssystem für die Olympischen Spiele 2004. Siemens und Griechenland hatten 2012 die Affäre mit einem Vergleich beendet. Davon ist eine Strafverfolgung früherer Siemens-Mitarbeiter aber nicht berührt.

Die Ermittlungsrichter geben den Beschuldigten zwei Monate Zeit, in Athen zu erscheinen. Leisten sie der Ladung keine Folge, will die griechische Justiz internationale Haftbefehle erlassen. Es ist zwar so gut wie ausgeschlossen, dass Deutschland die Beschuldigten ausliefert. Bei Reisen ins Ausland müssten sie jedoch mit einer Festnahme und Auslieferung an Griechenland rechnen.

Ex-Vorstand Jung ist seit drei Jahren in dieser misslichen Lage. Er war als früherer Aufsichtsratschef der griechischen Siemens-Tochtergesellschaft 2009 von der griechischen Justiz vorgeladen worden. Jung reiste aus München an – und wurde festgesetzt. Fast 18 Monate lang musste der gesundheitlich angeschlagene 70-Jährige in seinem Ferienhaus auf Paros in einer Art „Inselarrest“ ausharren. Dann setzte sich Jung nach Deutschland ab. Die griechische Justiz erließ daraufhin einen internationalen Haftbefehl. Jung ist seitdem nicht mehr ins Ausland gereist.

Deutschfeindliche Stimmung als Hintergrund

Jung kann sich zwar darauf berufen, dass gegen ihn in dieser Sache in Deutschland ermittelt wurde: Die Münchner Justiz stellte rechtskräftig fest, dass er von den Bestechungspraktiken nichts wusste. Nach dem internationalen Rechtsgrundsatz „Nebis in idem“ kann Jung in dieser Sache nicht ein zweites Mal vor Gericht gestellt werden. Das gilt auch für die meisten anderen der jetzt in Griechenland Angeklagten, die wegen der Schmiergeldaffäre bereits in Deutschland verurteilt wurden.

Doch die griechische Justiz ermittelt trotzdem. Jungs Anwalt Vassilis Karkazis wundert sich: „Es ist erstaunlich, dass nahezu das gesamte Beweismaterial des laufenden Verfahrens dem Untersuchungsgericht in Athen aus München zur Verfügung gestellt wurde, die Erkenntnisse und Entscheidungen der deutschen Justiz zur selben Angelegenheit jedoch ignoriert werden.“

Beobachter in Athen meinen, das Vorgehen gegen die Ex-Manager sei auch vor dem Hintergrund der deutschfeindlichen Stimmung zu sehen. Auffällig ist jedenfalls, dass die griechischen Schmiergeldempfänger, darunter Politiker, bisher nicht belangt wurden.