Dortmund. Wer das Hauen und Stechen in Dortmund nach der Kommunalwahl verstehen will, muss tief in die Vergangenheit eintauchen, sehr tief. Dabei wird er auf ein Jahre währendes Duell zwischen Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer und SPD-Chef Franz-Josef Drabig stoßen.
Passenderweise nimmt die Geschichte am 11. August 1999, dem Tag der totalen Sonnenfinsternis, ihren Lauf. Damals verdunkelte sich nicht nur das Firmament, sondern auch die politische Welt des Franz-Josef Drabig. Der damalige OB-Kandidat Gerhard Langemeyer zwang Drabig, auf den SPD-Fraktionsvorsitz im Dortmunder Rat zu verzichten. Begründung: Drabigs Skandale. Besonders dessen Fehltritt, eine Dame von zweifelhaftem Ruf in sein Auto einsteigen zu lassen, würde Langemeyers Wahl gefährden. Drabig, der zuvor selbst als Thronfolger galt und Langemeyer bei dessen Aufstieg vom Museumschef zum Kämmerer förderte, fügte sich. In der Folgezeit setzte er sich in die letzte Reihe des Rates und lauschte mehr oder weniger gelangweilt den Debatten, ohne selbst einzugreifen – Hinterbänkler wider Willen. Das Verhältnis zu Langemeyer könnte man seitdem mit „gegenseitige Duldung auf niedrigstem diplomatischen Niveau” charakterisieren.
Im Februar 2006 trat Drabig zurück ins Rampenlicht. Die Partei wählte ihn zum Vorsitzenden. Plötzlich hatte er wieder die gleiche Augenhöhe wie Langemeyer und damit die nötige Statur für einen Machtkampf. Die erste ernste – und im Nachhinein betrachtet entscheidende – Konfrontation ließ nicht lange auf sich warten. Als Langemeyer seinen Traum verwirklichen wollte, den U-Turm in ein Museum zu verwandeln, stellte sich Drabig mit seiner Partei im Rücken quer. Er wollte aus dem Klotz mehr als nur ein reines Museum machen. Drabig &. Co. blieben hart, und beschlossen, dass der U-Turm nur entwickelt wird, wenn es Gelder vom Land gibt. Selbstverständlich fand der OB einen Dreh, um Düsseldorfs Finanzen anzusaugen.
Der Lügenvorwurf ließ den Konflikt eskalieren
Der Turm wurde ganz fix zum Teil eines größeren Stadtumbauprojekts – für das tatsächlich Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sein Herz entdeckte. Doch weil Langemeyer sich von Drabig und der SPD hintergangen fühlte, nannte er ihn in einer bierseligen Runde am Rande der Münchner Immobilienmesse Exporeal einen Lügner! Diese Kränkung hat Drabig nie vergessen, im Verborgenen wurden nun die Messer gewetzt. Gezückt wurden sie, als Langemeyer in der Kokain-Affäre, bei der über eine Million Euro aus dem OB-Amt verschwanden, den taktischen Fehler beging, zwei unwichtige Mitarbeiterinnen aus der Stadtkasse zu entlassen, statt jemanden aus seinem direkten Umfeld. Nun hatte der OB die SPD und die Gewerkschaften gegen sich.
Drabig nutzte gemeinsam mit dem Fraktionsvorsitzenden Ernst Prüsse die Gelegenheit und brachte Kulturdezernent Jörg Stüdemann als Kontrahenten für eine OB-Kandidatur in Stellung. Erst nachdem Stüdemann seinen Hut in den Ring geworfen hatte, kam auch Stadtdirektor Ullrich Sierau aus der Deckung und kündigte quasi im Windschatten seine Kandidatur an. Damit durchkreuzte Sierau womöglich eine Strategie, mit der Langemeyer doch noch auf die Wiederwahl hätte hoffen können. Stüdemann, der erst seit rund vier Jahren Parteimitglied ist und deshalb in der SPD keine Hausmacht besitzt, hätte Langemeyer noch ausmanövrieren können. Nicht jedoch den fest verwurzelten Sierau.
So liegt die Vermutung nicht fern, dass Langemeyers Verkündung der Haushaltssperre nur 17 Stunden nach der Kommunalwahl ein Racheakt an Sierau war, weil er Drabig direkt nicht mehr treffen konnte.