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Das sind die zehn interessantesten Wahlkreise in NRW

Das sind die zehn interessantesten Wahlkreise in NRW

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Foto: WNM
Die Ergebnisse in Nordrhein-Westfalen sind entscheidend für die Bundestagswahl. Die WAZ präsentiert zehn Wahlkreise, in denen es wohl besonders spannend wird: Kopf-an-Kopf-Rennen, prominente Kandidaten und bundespolitisch wichtige Konstellationen.

Düsseldorf. 

Die Bundestagswahl am 22. September ist mehr als Angela Merkel gegen Peer Steinbrück. Schaut man sich die Wahlkreise in NRW an, entdeckt man viele interessante und pikante Konstellationen. Die politische Landkarte dürfte bei den Direktkandidaten auch diesmal recht klar gefärbt bleiben: Das Ruhrgebiet, Teile Ostwestfalens und viele Großstädte sind die wichtigsten Domänen der SPD, in ländlichen Regionen des Niederrheins, des Münster- und Sauerlands gewinnen zumeist die Frauen und Männer der CDU.

Auch diesmal werden die exakten Stimmengewichte in NRW entscheidenden Einfluss auf das Gesamtergebnis in Deutschland haben. Es handelt sich schließlich um das bevölkerungsreichste Bundesland. Wenn die CDU das desolate 26-Prozent-Ergebnis der Landtagswahlen 2012 nicht deutlich übertrifft, wird es im Bund enger als erwartet. Umgekehrt: Schneidet die SPD in NRW ähnlich gut ab wie Ministerpräsidentin Hannelore Kraft 2012, würde dies das Gesamtergebnis nach oben ziehen.

Sicher ist vier Wochen vor der Bundestagswahl nur zweierlei: NRW wird in Berlin mit einer Reihe illustrer Politiker vertreten sein. Minister, Staatssekretäre, Ausschussvorsitzende werden von Rhein und Ruhr stammen. Und SPD wie CDU werden den Ausgang so oder so kunstvoll zu ihrem Regierungs- bzw. Oppositionserfolg in Düsseldorf umdeuten. Eine Auswahl von Wahlkreisen in NRW, in die man am Wahlabend einen zweiten Blick werfen sollte.

Norbert Röttgen als Einzelkämpfer im Rhein-Sieg-Kreis 

Norbert Röttgen ist 2012 tief gestürzt. Der CDU-Politiker (48) bescherte der Union bei der NRW-Landtagswahl als unglücklicher Spitzenkandidat ein historisches 26-Prozent-Debakel und verlor danach alle Ämter: Aus als CDU-Landeschef, als CDU-Bundesvize und Bundesumweltminister. Dennoch will Röttgen ohne Listenabsicherung seinen Bundestagswahlkreis verteidigen. Obwohl er von Kanzlerin Angela Merkel kalt aus dem Kabinett geworfen wurde, scheint die Rückkehr ins Berliner Parlament gewiss.

Der Rhein-Sieg-Kreis ist eine CDU-Domäne und Röttgen dort fest verankert. Ob dem wortflinken Juristen, der einst als Kanzlerreserve („Muttis Klügster“) galt, ein Comeback auf Bundesebene glückt? Unter Regierungschefin Merkel wohl kaum. Sein Erststimmenergebnis dürfte in Berlin mit Interesse studiert werden.

SPD schickt den „König der Erststimmen“ ins Rennen 

Joachim Poß ist in der SPD-Bundestagfraktion traditionell „König der Erststimmen“. Seit 1980 zieht der 64-jährige Finanzexperte stets mit Fabelergebnissen in den Bundestag ein. Daran dürfte sich auch diesmal wenig ändern, obwohl sein Konkurrent durchaus Rang und Namen hat: Für die CDU tritt der ehemalige Gelsenkirchener Oberbürgermeister, Landesminister und CDU-Generalsekretär Oliver Wittke an.

Poß ist seit 1999 SPD-Fraktionsvize und wurde 2010 bundesweit bekannt, als er Frank-Walter Steinmeier nach dessen Nierenspende für seine erkrankte Frau einige Monate als Chef vertrat. Wittke ist über die Liste abgesichert und dürfte ebenfalls im nächsten Bundestag sitzen. Dritter bekannter Kandidat ist der Generalsekretär der NRW-FDP, Marco Buschmann, der 2009 stattliche sieben Prozent holte und über die Liste in den Bundestag einzog.

CDU-Rebell Bosbach tritt im Rheinisch-Bergischen Kreis an 

Wolfgang Bosbach (61) ist einer der bekanntesten Bundestagsabgeordneten. Im Rheinisch-Bergischen Kreis dürfte der CDU-Mann zum sechsten Mal direkt ins Parlament nach Berlin gewählt werden. Der leutselige ehemalige Supermarkt-Leiter und Rechtsanwalt ist nicht nur profilierter innenpolitischer Experte, sondern auch einer der schärfsten Kritiker von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Euro-Krise.

Bosbach ist Mitglied im konservativen „Berliner Kreis“, der die Aufgabe vieler CDU-Kernpositionen kritisiert. In den vergangenen Jahren geriet Bosbach nach einer Attacke von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla („Ich kann Deine Fresse nicht mehr sehen!“) und der Veröffentlichung seiner unheilbaren Krebserkrankung mehrfach in die Schlagzeilen.

Erste türkischstämmige Kandidatin der CDU in Hagen 

Cemile Giousouf (35) ist die erste türkischstämmige Bundestagskandidatin der CDU. Landesparteichef Armin Laschet hatte ihre Kandidatur im Hagener Wahlkreis gegen spürbaren Unwillen der örtlichen Union durchgesetzt.

Giousouf war eine enge Mitarbeiterin Laschets im NRW-Integrationsministerium und bislang nur in dessen Heimatstadt Aachen kommunalpolitisch aktiv. Trotz des Rumorens behauptete sich die Politikwissenschaftlerin jedoch bei der entscheidenden Delegiertenversammlung in einer Kampfabstimmung. Giousouf dürfte allenfalls über ihre mittelmäßige Listenabsicherung in den Bundestag einziehen, da SPD-Lokalmatador René Röspel favorisiert ist und 2009 klar gewann. Der Diplom-Biologe aus Hagen gilt seit Jahren im Bundestag als Experte für ethische Fragen.

Wesel I – einer der härtesten Wahlkreise Deutschlands 

Der Wahlkreis Wesel I gehört zu den besonders umkämpften in Deutschland. 2009 eroberte ihn Sabine Weiss nach 44 Jahren SPD-Herrschaft erstmals wieder für die CDU – mit rund 350 Stimmen Vorsprung. Die 55-jährige Anwältin stammt ursprünglich aus Duisburg. Bundesweit sorgte sie 2012 für Schlagzeilen, als sie mit einer kleinen Gruppe von CDU-Bundestagsabgeordneten die steuerliche Gleichstellung von homosexuellen Paaren forderte.

Ihr Wahlkreis-Gegner ist nicht ohne: Hans-Ulrich Krüger, seit 2010 Staatssekretär von NRW-Innenminister Ralf Jäger, sinnt auf Revanche. Der frühere Voerder Bürgermeister hat den großen Weseler Wahlkreis schon zweimal gewonnen und will nun zurück nach Berlin.

Pofalla will den Heimvorteil nochmal nutzen 

Ronald Pofalla (54/CDU) verfügt im Wahlkreis Kleve über eine kaum zu erschütternde politische Heimatbasis. Seit 1994 ist der gebürtige Weezer hier direkt gewählter Abgeordneter. Der Rechtsanwalt und Sozialpädagoge gehört seit Jahren zu den einflussreichsten Politikern Nordrhein-Westfalens. Er ist einer der engsten Vertrauten von Bundeskanzlerin Angela Merkel und leitet seit 2009 im Range eines Bundesministers die Regierungszentrale. Bei einem Wahlsieg wird ihm ein klassisches Ministerressort zugetraut.

Seine Gegnerin von der SPD im Wahlkreis ist erneut Barbara Hendricks, die SPD-Bundesschatzmeisterin und frühere Finanz-Staatssekretärin. Hendricks ist seit 1994 stets über die Liste in den Bundestag eingezogen.

Michelle Müntefering will in Herne gewählt werden 

Wohl kaum eine Premieren-Kandidatur für den Bundestag wurde so beachtet wie diese: Die 33-jährige Michelle Müntefering, seit 2009 mit dem ehemaligen Vize-Kanzler und SPD-Chef Franz (73) verheiratet, dürfte sich im traditionell „roten“ Wahlkreis Herne-Bochum durchsetzen. Zuvor hatte die gelernte Kinderpflegerin und Journalistin jedoch eine lokale Kampfkandidatur und ein gewaltiges Medieninteresse wegen ihres prominenten Gatten zu überstehen.

Ein politischer Neuling ist Michelle Müntefering nicht. Sie engagiert sich seit mehr als zehn Jahren in der Kommunalpolitik und sitzt im SPD-Landesvorstand. Im Bundestag wird es weiterhin nur einmal Müntefering geben: Ehemann Franz kandidiert nicht mehr.

Der bekannteste Arbeiter im Bundestag tritt ab 

Der bekannteste Arbeiter im Deutschen Bundestag tritt ab: Anton Schaaf, gelernter Maurer und lange Beschäftigter bei der Mülheimer Müllabfuhr, kandidiert nach drei Wahlkreis-Siegen in Essen/Mülheim nicht mehr. Aus privaten Gründen zieht es den kernigen „Toni“, der sich in Berlin parteiübergreifender Beliebtheit erfreute, nach Süddeutschland. Seine Frau hat dort eine berufliche Herausforderung gefunden.

Für ihn tritt im traditionell „roten“ Wahlkreis der ehemalige Lehrer Arno Klare (61) an, bislang Geschäftsführer der SPD in Mülheim und Essen. Klare gilt als Vertrauter von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Er hat ihren rasanten Aufstieg in der Politik von Beginn an begleitet.

Essen III – Wo die CDU im Ruhrgebiet eine Chance hat 

In der SPD-Hochburg Ruhrgebiet gibt es nur wenige Wahlkreise, die für die CDU als gewinnbar gelten. Vor allem auf den Essener Süden richten sich dabei viele Augen. Petra Hinz hat den Wahlkreis Essen III zwar zweimal hintereinander gewonnen, 2009 lag sie mit 38,6 zu 36,1 Prozent aber vergleichsweise knapp vorn. Die 51-jährige Juristin war in der vergangenen Legislaturperiode Mitglied im Finanzausschuss des Bundestages. Hinz bekommt es erneut mit dem Bredeneyer Rechtsanwalt Matthias Hauer von der CDU zu tun.

Vor vier Jahren wurde der Kampf um den äußerst engen Wahlkreis derart erbittert geführt, dass beide Lager einander sogar die gegenseitige Sabotage ihrer Straßenplakate vorwarfen.

Steinbrück hat in seinem Wahlkreis kaum Chancen 

Der prominenteste Direktkandidat Nordrhein-Westfalens tritt in Mettmann an: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Wie 2009 dürfte der gebürtige Hamburger, der seit Jahrzehnten mit seiner Familie in Bonn lebt, aber nur schwer gewinnen können. Mettmann ist ein durch und durch bürgerliches Pflaster, auf dem CDU-Kandidatin Michaela Noll (53) das Mandat vor vier Jahren mit 44,5 Prozent klar holte.

Mit Spannung wird jedoch am Wahlabend erwartet, wie viele Prozentpunkte Steinbrück über dem SPD-Zweitstimmenergebnis liegen kann. Die Juristin Noll, Tochter eines Iraners und einer Deutschen, war kurzzeitig stellvertretende Landesvorsitzende der NRW-CDU und galt als Vertraute des gestürzten Norbert Röttgen.