Ein CDU-Politiker im Bundestag fordert die Freigabe von Cannabis. Befürworter und Gegner argumentieren in verschiedene Richtungen.
Essen/Berlin.
Die Grünen sprechen sich schon lange für eine Freigabe von Cannabis aus. Jetzt bekommen sie unerwartet Unterstützung aus den Reihen der CDU. Joachim Pfeiffer, wirtschaftspolitischer Sprecher der Union im Bundestag, fordert in einem gemeinsamen Papier mit seinem grünen Kollegen Dieter Janecek einen legalen und staatlich kontrollierten Markt für Cannabis als Genussmittel.
Worum geht es bei der Cannabis-Freigabe genau?
Cannabis ist als Genussmittel in Deutschland verboten. Anbau, Besitz und Handel der illegalen Droge stehen unter Strafe.
Aus dem Drogenbericht der Bundesregierung von 2014 geht hervor, dass Cannabis die mit Abstand am weitesten verbreitete illegale Droge in Deutschland. Fast jeder vierte Befragte im Alter zwischen 18 und 64 hat Erfahrungen mit dieser Substanz gesammelt, heißt es. Unter Jugendlichen war der Konsum lange rückläufig, stieg 2013 aber wieder an: 5,6 Prozent der 12- bis 17-Jährigen haben schon Cannabis ausprobiert (2012: 4,6 Prozent). Unter den Konsumenten sind vor allem Jungen.
Anfang März hatte die Bundestags-Fraktion der Grünen einen Vorschlag für einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Freigabe von Cannabis vorgelegt.Bereits im vergangenen Jahr beriet der Rechtsausschuss im Landtag NRW mit Experten über eine Legalisierung, nachdem die Piratenpartei einen entsprechenden Antrag gestellt hatte.
Wie begründen die beiden Politiker ihre Initiative?
In der gemeinsamen Stellungnahme, die dem ARD-Hauptstudio vorliegt, argumentieren Pfeiffer und Janecek, dass die Strafverfolgung von Cannabis-Konsumenten jährlich ein bis zwei Milliarden Euro koste. Zudem habe man feststellen müssen, dass abschreckende Maßnahmen die Nachfrage nicht unterbinden konnten. Ein staatlicher regulierter Cannabis-Markt brächte nach Ansicht der Politiker bis zu zwei Milliarden an zusätzlichen Steuereinnahmen pro Jahr. Dem Jugendschutz möchten die Abgeordneten mit einer finanziell stärker aufgestellten Präventionsarbeit gerecht werden. Sie setzen auf einen intensiven Dialog mit den potenziellen und tatsächlichen Konsumenten.
Wie könnte eine Freigabe in der Praxis aussehen?
Die Grünen wollen bei Erwachsenen Erwerb und Besitz von 30 Gramm Cannabis für den Eigenbedarf erlauben oder Anbau und Abernten von drei Cannabispflanzen. Unter 18 Jahren ist Erwerb und Besitz „vollständig untersagt“, heißt es in dem Gesetzesentwurf. Cannabis und cannabishaltige Produkte dürften demnach nur in zugelassenen Fachgeschäften verkauft werden.
Wer Cannabis anbaut, verkauft oder damit handelt, „wird streng kontrolliert“. Ebenso bedürfe der Im- und Export einer behördlichen Genehmigung. Der Verkauf im Versandhandel oder an Automaten werde untersagt. Es gelte ein Werbeverbot. Cannabis aus gentechnisch verändertem Hanf oder mit Verunreinigungen wie Pflanzenschutzmitteln dürfe nicht in Verkehr gebracht werden.
Was sagen die Legalisierungs-Befürworter?
Der Bremer Jurist und Psychologe Lorenz Böllinger, der im Rechtsausschuss des Landtags NRW über den Antrag zur Cannabis-Freigabe der Piratenpartei mitberiet, argumentiert in einer Stellungnahme zum Thema, dass die bisherige restriktive Drogenpolitik gescheitert sei. Das macht Böllinger daran fest, dass die Zahl der Konsumenten illegaler Drogen trotz Strafverfolgung nicht rückläufig sei. Im Gegenteil: Die Zahl der Drogen-Verfahren vor deutschen Gerichten steigt laut Böllinger seit 2010 konstant an.
Drogenkonsum sei „menschliches Normalverhalten“: Mindestens fünf Prozent der Menschen in Westeuropa konsumierten regelmäßig Cannabis, sagt Böllinger und verweist auf Zahlen der europäischen Drogenbeobachtungsstelle in Lissabon.
Zudem sei Cannabis weniger gefährlich für die Gesundheit der Konsumenten als Alkohol oder Nikotin, meint Böllinger. Nur etwa einer von 20 Konsumenten werde von Cannabis-Produkten abhängig. Was diesen Menschen helfe, seien nicht Verbote, sondern „sachgerechte präventive Beratung und Psychotherapie“.
Eine Legalisierung von Cannabis gebe dem Staat außerdem die Kontrolle über Reinheit und Verfügbarkeit der Drogen zurück, argumentiert Böllinger weiter. Die Verdrängung des Cannabis-Handels auf den Schwarzmarkt bewirke, dass Verbraucher keine Kontrolle über Wirkstoffgehalt und eventuelle Beimengungen anderer Substanzen hätten. Jugend- oder Verbraucherschutz sei auf dem Schwarzmarkt nicht möglich.
Böllinger beklagt zudem, dass das Gleichheitsprinzip des Grundgesetzes verletzt werde, wenn Cannabis-Konsumenten bestraft würden, Alkohol- oder Nikotin-Konsumenten aber straffrei davonkämen. Die Vollstreckung von Strafe sei das schärfste Mittel des Staates. Es für Drogenkonsum anzuwenden, der außer dem Konsumenten selbst niemandem schade, sei unverhältnismäßig gegenüber anderen Straftaten.
Im November 2014 haben sich 122 Strafrechtsprofessoren mit einer Petition für eine liberalere Drogenpolitik in Deutschland eingesetzt. Einer von ihnen ist Prof. Ulfrid Neumann vom Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie der Frankfurter Goethe-Universität. Er hält ein Verbot von Cannabisprodukten für „irrational“ und verweist auf die „kriminellen Strukturen“, die entstehen, wenn ein Produkt bei dem eine Nachfrage besteht, in den Schwarzmarkt abgedrängt wird.
Neumann spricht sich für eine Freigabe von Cannabis aus, stellt aber klar, dass eine solche Freigabe von Aktionen flankiert sein müsse, die vor Drogenmissbrauch warnen.
Was sagen die Legalisierungs-Gegner?
„Eine allgemeine Freigabe von Cannabis und anderen illegalen psychoaktiven Substanzen ist nicht der richtige Weg zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und des Einzelnen“, antwortete die schwarz-rote Bundesregierung auf eine entsprechende Anfrage der Linkspartei im Bundestag. Das heute gehandelte Haschisch mache viel stärker abhängig. Suchtmediziner des Landschaftsverbandes Westfalen (LWL) hätten bestätigt, dass der Gehalt des zentralen Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC) nicht mehr bei sieben Prozent, sondern im Schnitt 30 oder bis zu 50 Prozent ausmache. Schlaflosigkeit, Muskelzittern, aber auch Verfolgungswahn seien die Folge für Süchtige.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft äußert große Bedenken gegenüber einer Cannabis-Legalisierung, weil zu befürchten sei, dass der Drogenkonsum dadurch ansteige. Zudem bestehe die Gefahr, dass Jugendliche nach einer Legalisierung leichter an Cannabis-Produkte gelangen könnten.
Der Leiter der Aachener Staatsanwaltschaft Helmut Hammerschlag hält eine Cannabis-Legalisierung für „unverantwortlich“. In einer Stellungnahme erklärt er, dass er die gesundheitliche Gefahren durch den Cannabis-Konsum für beachtlich hält. Auch der Behauptung, durch eine Cannabis-Legalisierung würde die Beschaffungskriminalität abnehmen, mag er keinen Glauben schenken. (mit Material von dpa)