Bulgarien baut Grenzzaun zur Türkei auf 160 Kilometer aus
Bis Ende 2016 sollen 160 Kilometer EU-Außengrenze unüberwindbar werden. Bulgarien will so Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa stoppen.
Berlin.
Daniel Mitow ist auf den ersten Blick nicht das, was man einen Hardliner nennt. Eleganter dunkelblauer Anzug, akkurat geschnittenes schwarzes Haar. Fließendes Englisch mit britischem Akzent. Der bulgarische Außenminister sitzt auf einem grünen Ledersofa in der bulgarischen Botschaft in Berlin, an der Wand hängt eine Originalzeichnung von Christo über die Verpackung des Reichstages. Doch so weltläufig der 38-Jährige erscheint, seine Botschaften sind knallhart. Er lobt das Mitte März vereinbarte Abkommen zwischen der EU und der Türkei. „Wir mussten den wahllosen Ansturm von Flüchtlingen nach Europa stoppen“, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion.
Das reicht der bulgarischen Regierung aber nicht aus. Die Schließung der Balkanroute hat die Politiker in Sofia nervös gemacht. Die Sorge grassiert, dass Migranten über neue Ausweichrouten von der Türkei nach Bulgarien gelangen könnten – auf dem Landweg oder über das Schwarze Meer.
Treffen mit Außenminister Steinmeier in Berlin
Deshalb plant das Land zusätzliche Maßnahmen. „Wir wollen unseren Zaun an der türkischen Grenze bis Ende des Jahres von jetzt 31 Kilometer auf rund 160 Kilometer ausbauen“, betont Mitow. Derzeit seien rund 300 Soldaten und 2000 Polizisten an der 260 Kilometer langen Grenze stationiert. An den Übergängen zu Griechenland befänden sich etwa 400 Soldaten auf Rotationsbasis. Rund 750 Kilometer ist Bulgariens Südgrenze lang. „Wenn es die Umstände erfordern, werden wir unser Personal weiter erhöhen“, erklärt der Außenminister. Die Flüchtlingskrise stand auch beim Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier am Mittwoch ganz oben auf der Agenda.
Selbsthilfe, Grenzkontrolle und die Mobilisierung von Sicherheitskräften: Das gilt auch für die Überwachung der potenziellen Fluchtwege auf dem Wasser. So hatten die bulgarische Marine und der Grenzschutz im Schwarzen Meer kürzlich Einsätze gegen Migranten aus der Türkei auf einer möglichen Alternativroute geübt.
Bürgerwehren im Grenzgebiet zur Türkei
Und manchmal nehmen die Bürger die Sache selbst in die Hand. So gibt es freiwillige Gruppen im Grenzgebiet zur Türkei. Kürzlich wurde ein selbst ernannter Flüchtlingsjäger zum umstrittenen Helden im Land. Ein Mann namens Dinko hielt ein Dutzend Syrer fest. Er zwang die Asylsuchenden, mit dem Gesicht auf dem Erdboden zu liegen, bis die Grenzpolizei da war. Das nannte er im Fernsehen „Bürgerhaft“.
Bulgarien, seit 2004 in der EU, hat besondere Sensoren für Migrantenströme. Als erstes europäisches Land hatte der Balkanstaat im Spätsommer 2013 einen Zaun an der Grenze zur Türkei hochgezogen. Damals hatte die dramatisch gestiegene Zahl der zumeist syrischen Schutzsuchenden, die über die Türkei nach Bulgarien gelangt waren, zu katastrophalen Lebensbedingungen in überfüllten Flüchtlingslagern geführt. Bulgarien war lange vor Ungarn sozusagen der Zaunpionier in der EU.
Nato-Schiffe patrouillieren vor türkischer Küste
Die Regierung denkt beim Kampf gegen Schlepper und Schleuser auch über den Einsatz von Nato-Kräften nach. „Wenn sich die Nato-Operation in der Ägäis bewährt und die Aktivitäten der Menschenschmuggler zunehmen, könnten wir eine ähnliche Mission für das Schwarze Meer anfordern“, meint Mitow. Nato-Schiffe des westlichen Militärbündnisses patrouillieren seit Anfang März vor der türkischen Küste und liefern Daten über die Bewegung von Flüchtlingsschiffen an türkische und griechische Behörden.
Die Übertragung dieses Modells nach Norden ist heikel. Eine Nato-Entsendung ins Schwarze Meer könnte zu politischen Spannungen mit Russland führen, dessen Schwarzmeerflotte ihren Hauptstützpunkt in Sewastopol an der Südspitze der Halbinsel Krim hat.
Der Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei zeige Wirkung, so Mitow. „Der Migrationsdruck an unseren Grenzen hat sich seitdem nicht erhöht.“ Im ersten Quartal 2016 sei die Zahl der Flüchtlinge gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 20 Prozent auf rund 10.000 zurückgegangen. 2015 habe Bulgarien insgesamt rund 27.000 Migranten registriert. Bislang gebe es keine Hinweise auf Ersatzrouten der Schlepper von Bulgarien nach Mazedonien und Albanien und dann weiter über die Adria nach Italien.
Schleppern drohen Haftstrafen von bis zu 15 Jahren
Dies habe auch mit Abschreckung zu tun, sagt der bulgarische Außenminister. Vor sechs Monaten habe Sofia beschlossen, die Strafen für Schlepper drastisch zu erhöhen und damit das Risiko für kriminelle Banden in die Höhe zu treiben. So müsse ein verurteilter Schlepper heute mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 15 Jahren und einer Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro rechnen. „Jedes EU-Land sollte die Strafen gegen Menschenschmuggler deutlich erhöhen“, fordert Mitow.
Der Diplomat sieht den Schutz der Außengrenzen nicht als Alleingang, sondern als Dienst an der Gemeinschaft. „Wir sind eine verlässliche Grenze der EU“, sagt er. Seit 2013 habe sein Land vor der Zunahme des Flüchtlingsstroms gewarnt. Und plötzlich gibt Mitow den Mustereuropäer. „Ich hoffe, dass die Flüchtlingskrise zu einer vertieften politischen Integration führen wird. Wir brauchen mehr Europa“, mahnt er. Angesichts des Neins der Niederländer zum Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine und des Brexit-Gespenstes sind derlei Töne selten geworden. Und was hält er von Angela Merkels Flüchtlingspolitik? Mitow denkt einen Moment nach. „Wir müssen mitfühlend und gleichzeitig fest sein“, sagt er, „es kommt auf die richtige Balance an.“