Zugegeben, eine leichte Aufgabe hat die neue Regierung zu Beginn ihrer Amtszeit in der enormen vierten Welle nicht. Deshalb heißt die Sendung bei „Anne Will“ in der ARD am Sonntag auch „Ohne Schonfrist – gelingt der Ampel-Start in der Corona-Krise?“ Die Ampel-Politker Annalena Baerbock (Die Grünen) und Christian Lindner (FDP) stellten sich unter anderem am Abend den Fragen der Moderatorin.
Der noch geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist auch zu Gast bei „Anne Will“. Er ergreift als erster das Wort, gibt zu, im Vorfeld nicht hart genug durchgegriffen zu haben: „2G, das haben wir schon im August diskutiert. […] und es war damals nicht möglich 2G in die gemeinsamen Beschlüsse einzubringen, weil im Wahlkampf zumindest einige den Ungeimpften nicht dieses Signal senden wollten. Das war im Nachhinein falsch.“
„Anne Will“ (ARD): Bei dieser Aussage von Christian Lindner schüttelt Journalistin den Kopf
Er räumt endlich Fehler ein, macht nun deutlich, dass schnelles Handeln gefragt sei, da die Lage nicht mehr „5 vor 12“, sondern nun schon auf „halb 1“ umgesprungen sei. Es habe 100.000 Infektionen mehr als letzte Woche gegeben, das seien etwa 1000 Intensivbetten mehr. Die Lage sei fatal.
Er fordert bundesweit die Kontakte zu reduzieren. Das heißt für ihn: keine Großveranstaltungen, keine Feiern aller Art, 2G+ für Treffen im Innenraum, dann auch mit Maske. In bestimmten Regionen sollte das öffentliche Leben runtergefahren werden.
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Die Gäste bei „Anne Will“:
- Jens Spahn, noch geschäftsführender Bundesgesundheitsminister (CDU)
- Annalena-Baerbock, Parteivorsitzende vom Bündnis90/Die Grünen
- Christian Lindner: Parteivorsitzender der FDP
- Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern
- Melanie Amann, Spiegel-Journalistin, Leiterin Hauptstadtbüro
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Doch deutlich mehr Fahrt nahm die Sendung beim Schlagabtausch zwischen Melanie Amann, Leiterin des Hauptstadtbüros des Spiegels, und dem designierten Finanzminister der Ampel-Koalition Christian Lindner auf.
„Ganz besonders Sorge macht mir speziell Ihre Partei dabei Herr Lindner“, kritisiert Amann mit Blick auf die Einschätzung der Lage. Marco Buschmann (FDP) habe ein falsches Signal gesendet, als er die epidemische Notlage im Oktober einfach beenden wollte. Um dann zurückzurudern und drei Wochen später zu sagen: Die systemische Überlastung der Krankenhäuser habe ja keiner kommen sehen. „Diese Kaskade der Kommunikation beim zukünftigen Justizminister macht mir Sorgen“, so die Journalistin.
Und weiter sagt Amann: „Es wurde nie etwas Vorausschauendes gemacht.“ Das sehe sie aber ebenso bei der alten wie bei der neuen Regierung. Erst ad hoc mitten in der Krise, wenn es schon zu spät sei, reagiere die Politik.
Da springt Lindner ein und nimmt seinen Parteikollegen in Schutz: „Das Aufheben der epidemischen Lage bedeutet nichts weiter, als dass das Parlament wieder über die wesentlichen Grundrechtseingriffe entscheidet.“
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„Sie schaffen einige Maßnahmen ab“, grätscht Amann dazwischen. Lindner reagiert mit Unverständnis. Amann hebt die Augenbrauen und sagt: „Wenn Sie etwas sagen, was nicht stimmt, dann muss ich da auch eingreifen!“
„Ich war auch noch nicht fertig. Darf ich?“, fragt der FDP-Politiker sichtlich gereizt. Und stellt klar, dass Ausgangssperren abgeschafft werden sollen. Die Wirksamkeit stünde in keinen Verhältnis zu den Grundrechtseingriffen. Wie Baerbock ist er der Meinung, dass ein bundesweiter Lockdown wenn irgendmöglich verhindert werden müsse, um Freiheiten und Existenzen zu bewahren. Die zukünftige Außenministerin betonte, dass das neue Infektionsschutzgesetz viele Maßnahmen beinhalte, die aber von den einzelnen Bundesländern anders umgesetzt werden.
Lindner betont weiter, dass der Bundestag Maßnahmen weiterhin ganz einfach bestimmen könne. Amann hierzu: „Was braucht es denn noch für Erkenntnisse, dass diese Maßnahmen nötig sind?“
„Welche Experten sind es denn, die jetzt gerade flächendeckend einen pauschalen Lockdown fordern?“
Lindner entgegnet zurück: „Welche Experten sind es denn, die jetzt gerade flächendeckend einen pauschalen Lockdown fordern?“ „Mehrere Virologen“, wirft jetzt auch Anne Will trocken ein. Unter anderem die Leopoldina hatte dies gefordert, wie Amann dann ausführt.
Am Wochenende hatte die Wissenschaftsakademie gefordert, dass Kontakte für wenige Wochen deutlich reduziert werden. Diese Maßnahmen müssten „vorübergehend auch für Geimpfte und Genesene gelten, die in dieser Zeit eine Auffrischungsimpfung erhalten müssen“. Als eine etwas mildere Option schlägt die Leopoldina eine „strikte, kontrollierte und sanktionierte 2G-Regelung“ ohne Kontaktbeschränkungen vor.
Neuer Corona-Krisenstab soll gegründet werden
Am Dienstag wolle die Regierung einen neuen Corona-Krisenstab unter Führung eines Generals gründen, um dezentraler agieren zu können. Noch steht auch im Raum die geplante Ministerpräsidentenkonferenz am 9. Dezember nach vorne zu verlegen.
Die komplette Sendung „Anne Will“ kannst du in der ARD-Mediathek hier nachschauen. (js)