Das Geräusch lässt Fußgängern den Schreck in die Glieder fahren. Mit einem 104 Dezibel lauten Heulton nach US-Vorbild will die NRW-Polizei ab sofort verträumte Autofahrer stoppen. Er soll Autofahrer besser zum Anhalten bewegen und so riskante Überholmanöver vermeiden.
Düsseldorf.
Ralf Jäger erinnert sich bei Polizeikontrollen noch an die gute alte Kelle, die aus dem Seitenfenster des Streifenwagens gehalten wurde. Der 53-jährige NRW-Innenminister zählt sich schließlich „zu den Lebensälteren“.
Bereits seit mehr als zehn Jahren tragen die Streifenwagen neben dem Blaulicht eine Leuchttafel auf dem Dach, die bei Kontrollen „Stopp Polizei“ blinken kann. In der neueren Fahrzeuggeneration wurde sie 2012 in den Stand versetzt, zwei Dutzend weitere Texte anzuzeigen. Dazu zählen die Worte „Gefahr“ und „Danger“. Am heutigen Dienstag folgt nun der „nächste Sprung der Technik“, so Jäger: Sämtliche 2300 Streifenwagen des Landes wurden mit einem grellroten „Flasher“-Licht und einem schrillen „Yelp“-Ton nachgerüstet.
Roter Lichtstrahl
Wenn die NRW-Polizei ein vorausfahrendes Fahrzeug anhalten will, geht sie ab sofort in drei Eskalationsstufen vor: Autofahrer sehen zunächst im Rückspiegel die spiegelverkehrte Leuchtschrift „Stopp Polizei“, werden dann mit einem gezielten roten Lichtstrahl durch die Heckscheibe traktiert und hören, gewissermaßen als letzten Weckruf, einen durchdringenden Ton in 104 Dezibel. Dieser Alarm ist derart schrill, dass auch mancher Anwohner oder Spaziergänger verstört reagieren könnte.
„Das erspart der Polizei gefährliche Überholmanöver, um vorausfahrende Autos zu stoppen“, erklärte Innenminister Jäger. Raser oder Betrunkene waren offenbar insbesondere im engen Innenstadt-Verkehr nicht selten nur mit riskanten Aktionen zum Anhalten zu bewegen. Das NRW-Innenministerium zählte dennoch lange nicht zu den Anhängern der technischen Neuerung und hielt das bisherige Instrumentarium für ausreichend. Noch vor zehn Monaten hieß es in Düsseldorf: „Brauchen wir nicht.“ Erst das Gespräch mit vielen Beamten vor Ort habe ihn überzeugt, räumte Jäger ein. Auch Kritiker einer Amerikanisierung des Streifeneinsatzes aus den Gewerkschaften scheinen inzwischen eingelenkt zu haben.
Vollbremsungen vermeiden
Erprobt wurde das neue Verfahren, das nach und nach auch in den anderen Bundesländern eingeführt wird, freilich nicht im gewöhnlichen Straßenverkehr. Jäger appellierte deshalb an die Autofahrer, „nicht sofort eine Vollbremsung zu machen“, wenn ab heute „Flasher“ und „Yelp“ zum Einsatz kommen. Es sei stattdessen geboten, langsam das Tempo zu verringern und eine geeignete Stelle zum Anhalten zu suchen.
In vielen Staaten verfügt die Polizei im Einsatz schon lange über mehrere Tonlagen. In Deutschland dagegen beschränkte sich das akustische und optische Repertoire auf Blaulicht und Martinshorn. Diese Signale bleiben im Einsatz und fordern Autofahrer wie eh und je auf, sofort freie Bahn zu schaffen. Innenminister Jäger geht davon aus, dass die Umstellung von den Bürgern „schnell gelernt“ wird. Dennoch wollen die Länder die Einführung von „Flasher“ und „Yelp“ nach einer Einführungsphase bilanzieren.
Preiswerte Aufrüstung
Besonders kostspielig ist die Innovation nicht. Die 2300 Streifenwagen seien lediglich mit einer Zusatzsoftware zu jeweils rund zehn Euro ausgestattet worden, erklärte das Landesamt für zentrale polizeiliche Dienste in Duisburg. Größere gesetzliche Änderungen sind ebenfalls nicht vonnöten.
Die Ausstattung der Streifenwagen musste zwar in der Zulassungsverordnung für den Straßenverkehr neu registriert werden. Für Autofahrer entsteht jedoch keine neue Rechtslage. Wer selbst „Yelp“ und „Flasher“ nicht bemerkt, begeht für sich genommen noch keine Ordnungswidrigkeit. Wie sie einen Verkehrsteilnehmer zum Anhalten für eine Kontrolle bewegt, ist und bleibt Sache der Polizei.