Ein T-Shirt für 4,90 Euro und ein Shirt der Edelmarke für 49,50 Euro – kann man da auf Anhieb einen Qualitätsunterschied feststellen? Nein, sagen Experten. Gemessen an der Güte der Textilie ist das teure Shirt keinesfalls zehn Mal so viel wert. Die Kalkulation der Hersteller aber ist ein Geheimnis.
Berlin.
Mitunter sehen sie fast gleich aus, das T-Shirt einer Billigmarke für den Preis von 4,95 Euro und das einer Edelmarke für 49,50 Euro. Streicht man mit der Hand über die weiche Baumwolle, lässt sich kein Unterschied feststellen. Beide Stoffe fühlen sich angenehm an. Nicht mal ein Blick auf das Etikett erklärt den gewaltigen Preisunterschied. Beide Hemden kommen aus fernöstlichen Fabriken.
Auch bei Jeans und anderen Textilien sind die Preisunterschiede immens. Legt man die Denim-Hose für 30 Euro mit verdecktem Label neben eine für 180 Euro, sehen beide mitunter identisch aus. Das ändert sich für den Käufer, wenn er die Marke erkennen kann. „Bei der einen sagen die Teenies, die muss ich haben“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Modeverbands German Fashion, Thomas Rasch. Das ist in der Regel das teurere Exemplar. Hauptsache, das Label stimmt.
Die Selbstfindung über Markenkleidung
Das gute Gefühl beim Kauf eines bestimmten Markenproduktes ist Verbrauchern oft wichtiger als der Preis. „Viele Menschen bauen sich mit ihrer Kleidung ihre Identität auf“, erläutert der Vertriebsfachmann Tim Brzoska von der Unternehmensberatung Simon-Kucher, zu deren Spezialität die Preisfindung gehört. „Durch Fashion kann man sich zum Beispiel einer bestimmten Gruppe zuordnen“, sagt der Experte.
Eltern wissen von dieser kostspieligen Selbstfindung über Klamotten. Denn die Markenware ist in der Regel sehr viel teurer als vergleichbare Produkte von Herstellern ohne bekannten Namen. Und Kinder und Jugendliche sind häufig sehr markenbewusste Konsumenten.
Besser verarbeitet, höherwertige Materialien – aber auch den Preis wert?
Am Preis lässt sich die Güte eines Anzugs oder Kleides nicht ablesen. Ein verlässlicher Vergleich ist für den Laien nahezu unmöglich. „Das können Sie ohne Fachkenntnis gar nicht machen“, sagt Rasch. Ob ein Baumwollgewebe chemisch belastet ist, ob es bei der ersten Wäsche einläuft oder abfärbt, zeigt sich erst nach dem Kauf.
Tendenziell sind die Premium-Produkte aber doch besser verarbeitet und aus höherwertigen Materialien gefertigt. Sonst geriete der Ruf eines Luxuslabels schnell in Gefahr. Nur ist das Edel-Shirt für 50 Euro eben nicht zehn Mal so viel wert wie die billige Alternative für fünf Euro. Jedenfalls nicht, gemessen an der Güte der Ware.
Damit das Haushaltsbudget nicht überstrapaziert wird, kaufen die Verbraucher mal so, mal so ein. „Man sieht immer häufiger Menschen, die teure und preiswerte Ware miteinander kombinieren“, erläutert Brzoska, „die Basics kommen von H&M, der Blazer darüber von Prada.“ Dieses Konsumverhalten kennen die Marketingexperten auch aus Supermärkten. Auch Wohlhabende kaufen bei Aldi ein, leisten sich aber auf der anderen Seite teures Fleisch vom Biometzger.
Ihre Preiskalkulation behalten Händler und Hersteller in der Regel als Geschäftsgeheimnis für sich. Daher können Kunden daran auch nicht ersehen, ob die Firma nun viel für eine hochwertige Produktion ausgibt oder den größten Teil des Umsatzes für Werbung ausgibt. Eine Ausnahme unter den Modefirmen ist der Händler Hessnatur, der nach eigenen Angaben weltgrößter Anbieter ökologischer Kleidung ist. Das Unternehmen hat die Kalkulation eines T-Shirts offengelegt.
Nur Hessnatur hat seine Kalkulation offengelegt
19,95 Euro kostet das Hemd im Shop. Davon gehen 3,19 Euro als Mehrwertsteuer an das Finanzamt. Die Produktionskosten liegen bei 6,95 Euro. 9,54 Euro betragen die Kosten des Unternehmens. Darin ist der Werbe- und Vertriebsaufwand enthalten. Am Ende bleiben Hessnatur noch 28 Cent Gewinn pro verkauftem Exemplar übrig.
Die Kalkulation lässt schon erkennen, wie gering die reinen Herstellungskosten sind. Dabei gibt Hessnatur dafür noch vergleichsweise viel aus, weil Biomaterialien viel teurer sind und das Unternehmen auf soziale Standards an den Fertigungsstandorten achtet, zum Beispiel auf die Einhaltung der Normen der internationalen Arbeitsorganisation.
Preissteigerungen erwartet
Die meisten anderen Hersteller scheren sich darum wenig und achten lediglich auf möglichst günstige Bezugsquellen. Nur so kann Billigware angeboten werden. Aber auch bekannten Marken aus dem Premiumsegment sind niedrige Einkaufspreise oft wichtiger als faire Arbeitsbedingungen. Tendenziell werden die Kunden in Deutschland wohl trotzdem bald mehr für Kleidung auf den Kassentisch der Händler legen müssen. Denn die Materialkosten steigen ebenso wie die Transportkosten und die Löhne der Näherinnen weiter an.