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Vater von Todesfahrer: „Er muss Höllenqualen gehabt haben“

Vater von Todesfahrer: „Er muss Höllenqualen gehabt haben“

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Amokfahrer von Münster litt unter beruflichem Niedergang

Vater von Todesfahrer: „Er muss Höllenqualen gehabt haben“

Amokfahrer von Münster litt unter beruflichem Niedergang

Der Amokfahrer von Münster hat einem Medienbericht zufolge seinen beruflichen Niedergang als erfolgreicher Industriedesigner nicht verkraftet. Wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" unter Berufung auf d...

Was war das Motiv des Todesfahrers von Münster? Sein Vater meint, allein eine psychische Krankheit habe seinen Sohn zur Tat getrieben.

Brilon. 

Immer mehr Details zum Täter werden nach der Todesfahrt von Münster bekannt – doch ein konkretes Motiv gibt es bislang nicht. Die Ermittler sind inzwischen sicher: Der 48-Jährige wollte sich umbringen. Aber warum er zuvor mit einem Campingbus in eine Menge raste und so zwei Menschen tötete und 20 verletzte, das ist bislang nicht klar.

Und die Ermittler sehen noch andere offene Fragen: Woher hatte der Mann die Waffe, mit der er sich erschoss? Und wieso wählte er ausgerechnet den Platz am Kiepenkerl?

Schon 2015 von Selbstmord gesprochen

Der Amokfahrer war am Samstagnachmittag mit seinem Kleinbus in der Münsteraner Altstadt in eine Gruppe gerast. Von den 20 Verletzten waren drei am Montag noch immer in Lebensgefahr. Neue Informationen zum Gesundheitszustand gebe es womöglich am Dienstag, sagte ein Polizeisprecher.

Der Vater des Täters geht davon aus, dass eine psychische Krankheit seinen Sohn zu der Amokfahrt trieb. „Es war eine Krankheit, die ihn in zwei Welten hat leben lassen“, sagte der 79-jährige Möbeldesigner der dpa und fügte hinzu: „Er bildete sich etwas ein, was das Gegenteil der Wirklichkeit war.“

Sein Sohn sei nicht gewalttätig gewesen

Der Vater, der in dem kleinen Ort Madfeld im Hochsauerlandkreis (Nordrhein-Westfalen) lebt, sagte, sein Sohn habe an „Verfolgungswahn“ gelitten. Er sei aber nicht gewalttätig gewesen. Sein Sohn sei auch in psychiatrischer Behandlung gewesen. Aber: „Er ist nicht oder falsch behandelt worden. Vielleicht hat er Medikamente bekommen, die die falschen Nebenwirkungen hatten“, sagte der 79-Jährige.

„Er ist vor zweieinhalb Jahren am Rücken operiert worden.“ Die OP habe drastische gesundheitliche Folgen gehabt. „Er konnte nicht mehr arbeiten. Da hat er sehr drunter gelitten.“ Die Zeitung „Die Welt“ zitierte den Vater mit der Aussage, das letzte Mal hätten sie vor etwa einem Vierteljahr Kontakt gehabt: „Er muss in seinem Kopf durch die Krankheit Höllenqualen gehabt haben.“

Jens R. zeigte seinen Vater an

Der Vater bestätigte einen „Spiegel“-Bericht, wonach er schon 2015 dem sozialpsychiatrischen Dienst der Stadt Münster erklärt hatte, dass sein Sohn suizidgefährdet sei. „Er hat damals am Telefon gesagt, es gehe ihm sehr schlecht. Da ist auch der Satz gefallen: „Vielleicht lebe ich ja nicht mehr lange.“ Aufgrund des Hinweises habe Jens R. seinen Vater wegen Verleumdung angezeigt, berichtet der „Spiegel“.

Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt teilte zu den bisherigen Ermittlungsergebnissen mit: „Nach der bisherigen Analyse und Auswertung der vorliegenden Dokumente, Spuren und Aussagen sind die Ermittlungsbehörden sicher, dass der 48-Jährige in Suizidabsicht handelte.“

Über Balken gelegtes Hanfseil mit Henkersknoten

Bei der Durchsuchung der Wohnung des ledigen und kinderlosen Mannes sei unter anderem ein über einen Balken gelegtes Hanfseil mit Henkersknoten gefunden worden. Das sei ein „eindeutiger Hinweis“. Für die Suizidabsicht des Täters spreche auch die Tatsache, dass er sich unmittelbar nach dem Stillstand des Fahrzeugs erschoss.

„Offensichtlich wollte sich der Täter nach der Todesfahrt direkt selber richten“, bekräftigte der Leiter der Ermittlungskommission, Kriminalhauptkommissar Joachim Poll, in der Mitteilung. Warum der Täter den Vorplatz des Restaurants in der Münsteraner Innenstadt als Ziel seiner Todesfahrt gewählt hat, sei aber weiter unklar. Bislang habe man keine Beziehung des Täters zum Tatort herstellen können.

„Der Täter handelte in Suizidabsicht“

Wichtig sei den Ermittlern auch zu klären, wie der Mann in den Besitz der Waffe gelangte, die im ehemaligen Jugoslawien hergestellt wurde. Dabei spiele auch die Frage eine Rolle, ob diese Waffe schon einmal im Zusammenhang mit einer Straftat zum Einsatz kam. Nach Informationen des NRW-Innenministeriums war der Täter, ein Industriedesigner, weder in Besitz eines Waffenscheins noch einer Waffenbesitzkarte.

„Bei einer Gesamtschau der Indizien sind wir uns sicher, der Täter handelte in Suizidabsicht“, unterstrich Poll. Diese eindeutige Absicht habe der Mann entgegen anderslautender Berichte im Zeitraum vor der Tat weder dargelegt noch gegenüber Dritten geäußert.

Ermittler sammeln weiter Hinweise

„Die mehrfach wahllos an Dritte übersandten Nachrichten enthalten keine ausdrückliche Ankündigung einer Selbsttötung. Sie sind jedoch Ausdruck einer zumindest temporären, psychischen Labilität“, hieß es in der gemeinsamen Pressemitteilung der Ermittler weiter.

Die Ermittlungskommission werte weiterhin alle Hinweise aus, befrage Zeugen und untersuche die sichergestellten Spuren und Beweismittel. Allein über das Hinweisportal des BKA seien bislang rund 40 Dateien hochgeladen worden. Immer noch meldeten sich Menschen und wollten die Ermittlungsarbeit der Polizei mit ihren Hinweisen unterstützen. (dpa)