Für Russland war das vergangene Wochenende wohl der größte Erfolg seit langem: Die ukrainische Armee hat sich aus dem monatelang umkämpften Awdijiwka zurückgezogen. Die russischen Streitkräfte haben Awdijiwka nicht vom Boden aus erobert, sondern durch ein „massives Flächenbombardement aus der Luft“, erklärt der renommierte Militärexperte Marcus Keupp auf „X“, ehemals Twitter.
Der Militärexperte erklärt, was das über die Stärken und Schwächen Russlands und der Ukraine aussagt. Dabei räumt er auch mit einem weit verbreiteten Mythos über Russland auf!
Russlands Ressourcen bald erschöpft
Dass Russland Awdijiwka einnehmen konnte, zeige vor allem die strategischen Probleme der Ukraine, so Keupp. Denn die Ukraine stehe vor einem echten Dilemma: Sie müsse ihre Luftverteidigung einschließlich des Patriot-Systems eigentlich zum Schutz der Städte und der Zivilbevölkerung einsetzen. Deshalb, so Keupp, seien die Ukrainer weniger in der Lage, die Front zu verteidigen.
Keupp räumt aber auch mit einem großen Märchen über Russland auf: dass Russland endlos Kriegsgerät nachschieben kann! Dazu schreibt er auf „X“: „Dieses Märchen wird auch im Westen gerne geglaubt, von einigen Analysten wie auch von Journalisten, die daraufhin Artikel à la „outgunned and outnumbered“ publizieren.“
Reserven übersteigen Produktionsraten
Der Militärexperte erklärt, dass die hohen Verluste an der Front die Produktion bei weitem übersteigen würden. So schreibt Keupp: „Die russischen Reserven sind groß, aber sie sind nicht unbegrenzt. Die Verlustquoten an der Front übersteigen für jedes System – Panzer, IFV (Schützenpanzer), Artillerie – die Produktionsraten.“ Die russische Armee lebt quasi von dem, was noch aus Sowjetzeiten in den Depots liegt – aber Putins Ressourcen sind nicht unerschöpflich.
Die Zahlen sprechen für sich: Allein in Awdijiwka verlor Russland 650 Panzerfahrzeuge und 16.000 Soldaten. Und das bei einem Gewinn von nur vier Kilometern! Keupp erklärt: „Putin führt den Krieg also nach dem Prinzip Hoffnung: Die Ukraine wird aufgeben (oder vom Westen im Stich gelassen), bevor meine Reserven durchgebrannt sind.“
„Kein Weg vorbei an massiver Ausweitung der Waffenlieferungen“
Trotzdem zögert Bundeskanzler Olaf Scholz noch, der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zu liefern. Keupp ist da ganz klar: „Soll die Ukraine überleben, führt kein Weg vorbei an einer massiven Ausweitung der Waffenlieferungen.“
Priorität sieht er vor allem bei Artilleriemunition, aber auch Kampfflugzeuge und Raketenartillerie zur Bekämpfung von Fernzielen würden dringend benötigt.
Keupps Worte haben eine klare Botschaft: Die Ukraine brauche jede Unterstützung, die sie bekommen kann. Denn der Kampf der Ukraine sei auch der Kampf für ein stabiles und sicheres Europa.