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Sebastian Fitzek: „Dann schreibe ich mir meine Albträume von der Seele“

Sebastian Fitzek ist Deutschlands erfolgreichster Thriller-Autor. Ein Gespräch über seine neue Serie „Die Therapie“ und das tägliche Grauen.

Sebastian Fitzek
© IMAGO/Panama Pictures

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Die Serienhighlights.

Er ist Deutschlands Thriller-König: Sebastian Fitzek. Seit seinem Debütroman „Die Therapie“ im Jahr 2006, ist der gebürtige Berliner aus der deutschen Buch-Szene nicht mehr wegzudenken.

Eben jener Debütroman ist nun für Amazon Prime als Serie verfilmt worden. Wir haben mit Sebastian Fitzek über die Verfilmung, Vermisstenfälle und Bücher im Bunker gesprochen.

Redaktion: Ihr Erstlingswerk „Die Therapie“ erschien 2006. Können Sie sich noch an die Umstände erinnern, unter denen Sie das Buch schrieben?

Sebastian Fitzek: „Sehr gut sogar. Es war in einem Haus, das gar nicht mehr existiert. Es wurde mittlerweile abgerissen. Ein ganz kleines Häuschen mit einer Dach-Mansarde, an einem Holzschreibtisch. Ich kann mich noch genau erinnern, dass ich immer große Lust hatte, weiterzuschreiben, weil ich mir selbst die Frage gestellt habe, wie geht es denn weiter? Ich hatte eine grobe Vorstellung von der Geschichte und auch ein kleines Exposé, von dem ich dachte, so, das ist der Handlungsverlauf – aber ich hatte auch viele weiße Felder, die habe ich Tag für Tag ausgefüllt.

Ich glaube, das ist für mich nach wie vor, auch bei meinen neueren Werken, der Test: Freue ich mich darauf, weiterzuschreiben? Sobald ich merke, dass ich mich dazu zwinge, hinterfrage ich die Geschichte. Vielleicht ist die Story dann doch nicht ganz rund und ich weiß noch nicht so genau, wie es weitergeht. Das muss ich bei „Die Therapie“ schon sagen: Bei „Die Therapie“ habe ich mich in einen Rutsch geschrieben.“

Kann es vorkommen, dass sie nach – meinetwegen – 150 Seiten nicht zufrieden sind und noch mal von vorne anfangen?

Fitzek: „Nach 150 Seiten ist es mir zum Glück noch nicht passiert, aber einmal nach 60 Seiten. Das war bei „Passagier 23“ der Fall, als die Hauptperson einen sehr guten Grund hatte, nicht mehr auf diesem Schiff bleiben zu wollen. Und das hat sie mir im Roman mitgeteilt, denn irgendwann verselbstständigen sich die Figuren. Ich habe das früher für Autoren-Blabla gehalten, aber es stimmt. Die Figuren machen nicht mehr, was man will. Das ist auf der einen Seite spannend, aber natürlich furchtbar, wenn es dazu führt, dass man merkt: Okay, die Handlung geht nicht weiter. Bei „Passagier 23“ bedeutete das, dass ich 60 Seiten wegwerfen musste.“

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Nun ist „Die Therapie“ nicht nur ihr Erstlingswerk, sondern auch ihre erste Serie. Ist das Buch auch ihre erste Wahl für eine Serie gewesen?

Fitzek: „Es war tatsächlich ein Wunsch von mir, dass „Die Therapie“ zur Serie wird. Eigentlich sollte es aber erst ein Kinofilm werden. 2007 waren die Filmrechte schon vergeben. Aber wie man sieht, ist nichts passiert. Wir haben beim Schreiben des Drehbuches gemerkt, dass sich der Stoff zwar sehr einfach liest, man hat schnell einen Film vor Augen, aber die Umsetzung ist unglaublich schwierig.

Obwohl es nur ein dünnes Buch ist, hätte man viel weglassen müssen, um es in einen 90 oder 100 Minuten langen Film zu pressen. Das Format der Miniserie gab es damals noch nicht, Streamer auch nicht. Deswegen glaube ich, dass es gut ist, dass wir so lange gewartet haben. Es ist mein Debütroman und daher ist es auch ein ganz besonderes Werk für mich, weil es mich zum Autor gemacht hat. Das Serienformat ist für dieses Buch genau das richtige.“

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Bei Buchadaptionen für die Leinwand wird stets etwas verändert. Dinge werden weggelassen, andere hinzuerfunden. Nun kam es zuletzt vor, dass Kollegen von Ihnen wie Frank Schätzing oder auch Rita Falk nicht zufrieden mit den Umsetzungen waren. Wie war das bei Ihnen, können Sie Ihr Autoren-Ego zurückstellen?

Fitzek: „Ja, ich glaube, das ist auch notwendig. Ein Film ist das Konglomerat aus bestimmt zehn/zwölf Kunstgattungen. Ich zähle da nicht nur die Schauspieler dazu, das Drehbuch oder die Ausstattung. Das Casting beispielsweise ist eine Wissenschaft. Die meisten, so wie ich, kennen Schauspieler, weil sie Filme oder Serien gucken, das gibt mir aber noch lange nicht die Qualifikation, sie für einen Film oder eine Serie zu besetzen. Das ist ungefähr so, als wenn ich mir anmaßen würde, Bundestrainer zu sein. Warum stellt ihr den denn nicht auf? Vielleicht, weil der im Team nicht kompatibel ist. Weil man nicht hinter die Kulissen schaut, weil man nicht erfahren genug ist. Das heißt nicht, dass man sich als Autor komplett zurücknehmen muss. Es ist natürlich das eigene Baby. Ich wurde bei allem gefragt.“

Wen würden Sie in der Nationalmannschaft denn noch aufstellen?

Fitzek: „Ist Robin Gosens dabei?“

Wahrscheinlich schon.

Fitzek: „Super!“ (lacht)

Fitzek
Sebastian Fitzek bei der Premiere von „Die Therapie“ in Berlin. Foto: IMAGO/Gartner

Viktor Larenz, Ihre Hauptfigur, will für sich nicht zulassen, dass seine Tochter tot sein könnte. Sie sind selbst Vater. Finden Sie sich in ihm wieder?

Fitzek: „Das ist wirklich eine sehr gute Frage. Solche Nachrichten haben wir leider zuhauf. Mich berühren Nachrichten von vermissten Menschen so sehr, dass ich die in meinen Geschichten verarbeite, auch schon, bevor ich Familienvater wurde. „Die Therapie“ habe ich 2000 angefangen zu schreiben, und 2010 ist meine Tochter zur Welt gekommen. Da lag eine lange Phase dazwischen. Das ist natürlich ein Albtraum, den ich mir vorgestellt habe. Ich schreibe unter anderem auch über solche grauenhaften Situationen, weil ich die Macht habe, verschwundene Personen wieder auftauchen zu lassen.

Wenn wir uns aber an Maddie, an Inga, an Peggy erinnern, sind das Schicksale, bei denen mich sowohl die Vermissten an sich, als auch die Angehörigen interessieren. Was macht das mit ihnen? So ein Schicksalsschlag hat ja nicht nur ein Opfer. Das ist etwas, was mich manchmal nicht so gut schlafen lässt, und dann schreibe ich mir meine Albträume von der Seele. Mit der Möglichkeit, die Realität zu einer besseren abzuändern.“

Sie haben den Fall Maddie McCann angesprochen. Ein Vermisstenfall, über den wahnsinnig viel berichtet wurde. Auch in Dokumentationen. Sind Sie jemand, der diese Fälle über die ganze Zeit hinweg begleitet?

Fitzek: „Nein, ganz im Gegenteil. Ich habe keine einzige Dokumentation über diesen Fall gesehen. Das ertrage ich nicht. Ich weiß ja, sie ist nicht da. Auch wenn ich, genau wie ihre Eltern, noch auf ein Wunder hoffe. Aber diese Vorstellung, diese Schicksalssekunde, in der man sich entscheidet, wir lassen das Kind in diesem Hotelzimmer allein und sind eigentlich nur eine Straße weiter, was das mit einem macht, das würde mir zu nah gehen. Ich brauche keine Dokumentation darüber, die würde ich mir erst ansehen, wenn der Fall gelöst ist – hoffentlich zum Guten.“


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Wir leben in einer Zeit, in der die Realität schlimmer ist als jeder Thriller. Man denke nur an den Horror in Israel oder der Ukraine. Sind das Themen, die in Ihre Arbeit einfließen?

Fitzek: „Ja. Das kann ich gar nicht verhindern. Man hat immer etwas Autobiografisches in seinen Romanen. Auch wenn ich das nicht will, ist mein Unterbewusstsein als Co-Autor damit beschäftigt, persönliche Eindrücke einzuweben. Trotzdem hat das Genre Thriller auch in dieser, für uns alle schwierigen, Zeit seine Berechtigung. Ich habe beispielsweise aus Israel eine Mail auf Hebräisch bekommen. Mein Buch wurde in einem Bunker gelesen. Aus der Ukraine übrigens auch. Wieso liest jemand in einer solchen Situation einen Psychothriller? Eben weil es ausgedacht ist, weil es Fiktion ist. Und weil es die Gedanken an einen anderen Ort transportiert. Für einige Stunden kann man durchatmen, weil man in einer anderen Welt ist.“