Gewalt in Nahost: Ein Musikfestival in der israelischen Negev-Wüste endete in einem Blutbad. Islamistische Hamas-Terroristen ermordeten nach Angaben des Rettungsdienst Zaka allein auf dem Festivalgeländer 260 Menschen, dutzende wurden verschleppt.
Am Samstagmorgen (7. Oktober) war ganz Israel von dem Angriff der von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestuften Hamas überrascht worden. Aus dem Gazastreifen wurden tausende Raketen abgefeuert, Menschen werden getötet oder verschleppt. Was für viele undenkbar ist, ist für David Dobrovinsky seit zwei Tagen brutaler Alltag.
Der Familienvater, der seit 2015 in Bet Schemesc, einer Stadt westlich von Jerusalem, lebt, berichtet im Gespräch mit dieser Redaktion wie er den Tag des Angriffs wahrgenommen und wovor er jetzt am meisten Angst hat.
„Da wussten wir, dass etwas Schlimmes passiert ist“
Seine Familie ist 2001 aus der Ukraine nach Deutschland eingewandert, bis zu seinem Abitur wohnte er in Bayreuth, studierte anschließend Wirtschaft an der TU in München. Seit acht Jahren wohnt er gemeinsam mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern in Israel, arbeitet im Einkauf bei der Firma Intel.
Die Familie verbrachte den Tag des Angriffs in ihrem Bomben-Shelter – einem Schutzraum, der in die neueren Wohnungen in Israel eingeplant ist. „Wir haben die Sirenen gehört, wir leben in einer Gegend, die normalerweise weniger betroffen ist“, erklärt Dobrovinsky. „Wir haben alle paar Jahre einmal eine Sirene gehört, aber auch nur präventiv, dieses Mal war es eine nach der anderen und das Stunden lang – da wussten wir, dass etwas Schlimmes passiert ist.“
Aufgrund des Sabbats verfolgt die Familie erst am Abend die Nachrichten, bemerkt erst dann das ganze Ausmaß. „Normalerweise beschießt die Hamas die umliegenden Gebiete von Gaza, es dauert ein paar Tage bis es zu uns in die Jerusalem-Gegend kommt. Aber hier ging es mit voller Wucht los, wir haben das nicht erwartet“, betont der zweifache Familienvater.
Krieg in Israel: „Menschen werden getötet, verschleppt“
Zwei Tage später ist die Lage weiterhin sehr angespannt. „Es ist ein gemischtes Gefühl aus Angst und Trauer. Wir haben Angst um die Leute, die verschleppt wurden. Wir trauern um die Leute, die getötet wurden“, betont Dobrovinsky. Die Familie hat Angst, was als Nächstes kommt. Denn einen Angriff in diesem brutalen Ausmaß habe es zuvor so noch nie gegeben.
„Menschen werden getötet, verschleppt, Kinder werden in Käfige gesteckt. Ich kann nachts nicht schlafen, weil ich überlege, wie es den Menschen und den Familien geht“, berichtet der Einkäufer. In Israel herrsche eine kollektive Angst, Trauer und Anspannung. Und diese ist überall zu spüren: Auf den Straßen, in den Häusern und bei den Menschen, alle hören Nachrichten. „Israel ist kein großes Land, man kennt sich, man kennt immer einen, der in der Armee oder bereits gestorben ist.“
Auch Dobrovinskys 20-jähriger Schwager ist in der Armee. Zweimal am Tag erkundigt er sich, ob er noch am Leben ist. „Wir machen uns Sorgen um ihn, die meisten Freunde von ihm sind schon gefallen.“ Israel mobilisiert 300.000 Reservisten. Dies ist die größte Mobilisierung in der israelischen Geschichte in so kurzer Zeit. „Wir haben Freunde in der Straße, bei denen am Samstag noch die Kinder abgeholt und eingezogen wurden“, so Dobrovinsky.
„Meine Frau hat keine Wahl“
Die Familie selbst versucht so wenig wie möglich rauszugehen. Dobrovinsky arbeitet am Montag, zwei Tage nach dem brutalen Angriff, ganz normal im Home-Office. „Es muss ja irgendwie weitergehen, wir können jetzt nicht alles anhalten.“ Aber: „Meine Frau arbeitet im Krankenhaus. Jedes mal, wenn sie dorthin fährt haben wir Angst und stehen die ganze Zeit in Kontakt. Leider hat sie keine Wahl.“
Öffentliche Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen bleiben in Israel geschlossen. Während des Interviews hört man die dreijährigen Zwillinge im Hintergrund. „Sie werden von ihren Kindergärtnerinnen angerufen und gefragt, wie es ihnen geht. Sie schicken E-Mails mit Kinderliedern und Ausmalsachen, damit sie ein bisschen Normalität haben“, erklärt der Vater.
Dobrovinskys Kinder sind zu klein, um das Ausmaß zu begreifen. Für ältere Kinder und Jugendliche gibt es spezielle psychologische Dienste, um Ängste zu minimieren. Auch helfen sie Eltern dabei, wie sie ihren Kindern die Situation am besten erklären können.
Dort herrscht eine große Gefahr
Seit Samstag gab es in Bet Schemesch keinen Alarm mehr. Trotzdem hört die Familie die ganze Zeit Bombeneinschläge und bekommt mit, wie Raketen abgefangen werden. Auch können sie die Gegend rund um Gaza sehen. „Wir sehen die ganze Nacht Lichter, sehen wie Raketen hochfliegen“, schildert Dobrovinsky.
Trotzdem rechnet die Familie damit, nicht fliehen und ihre Heimat verlassen zu müssen. „Wir wissen nicht, wie lange das geht. Es wird aber sehr angespannt sein, es wird leider Gottes viele Tote und Einschläge geben“, betont er.
Die weitaus größere Gefahr sieht Dobrovinsky in den Terrorristen der Hamas. „Vor Raketen kann man sich im Bomben-Shelter retten, vor einer Person, die mit einer Waffe vor dir steht, nicht“, betont er. Außerdem befürchtet er die Gefahr von innen. „Es gibt einen Feind im Landesinneren, der von der Hamas aktiviert werden kann“. Damit meint Dobrovinsky gemischte Städte, in denen Palästinenser und Juden zusammenleben.
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