Panik in der Schule, Ausraster auf offener Straße und extreme Unsicherheit in neuen Situationen. Was die meisten Menschen als Alltagssituationen begreifen, ufert bei Selina (13) aus Gladbeck täglich mehrfach in maximaler Eskalation aus. Was das Mädchen aus dem Ruhrgebiet als Baby durchmachen musste, weiß niemand so genau. Kinderpsychologen sprechen mittlerweile von einer posttraumatischen Belastungsstörung.
„Wir haben schnell gemerkt, dass Selina anders ist als andere Kinder“, sagt Stephanie Helbrecht. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie die traumatisierte Selina im Alter von elf Monaten als Pflegekind aufgenommen. Als Baby und Kleinkind habe Selina so viel geschrien, dass sich die Familie professionelle Hilfe geholt hat. Im Gespräch mit DER WESTEN berichtet die Pflegemutter über extrem belastende Situationen und einen möglicherweise heilenden Weg. Doch dabei steht die Familie aus dem Ruhrgebiet vor einem Problem.
Ruhrgebiet: „Würde am liebsten mitweinen“
„Viele in Gladbeck werden uns wahrscheinlich kennen“, sagt Stephanie Helbrecht und berichtet aus zahlreichen Alltagssituationen, in denen die 13-Jährige vollkommen ausrastet. „Wenn Leute dicht an Selina vorbeigehen, dann kriegt sie die Wut“, berichtet die Gladbeckerin und weiß: „Die Leute wissen gar nicht, was sie falsch gemacht haben.“ An guten Tagen sei sie in der Lage, die Situation abzufangen. Sie nimmt Selina fest in den Arm, schirmt ihr Gesicht ab, um sie vor verständnislosen Blicken zu schützen und holt Passanten mit einem kurzen Satz ab, nach dem Motto: „Sie hat es nicht so gemeint.“ Dann versucht sie, ihre aufgelöste Tochter zu beruhigen.
„An schlechteren Tagen würde ich am liebsten mitweinen“, gibt Stephanie Helbrecht zu. Sie und die Experten sind sicher, dass Selina in den ersten Monaten ihres Lebens etwas Schlimmes erlebt haben muss. Vernachlässigung, Todesängste? „Man weiß es nicht genau.“ Zu ihrer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) haben Kinderpsychologen nun auch noch eine Intelligenzminderung diagnostiziert.
Ruhrgebiets-Familie hat dringenden Wunsch
Nach den Sommerferien kommt Selina in die achte Klasse einer Waldorf-Förderschule, die sie gemeinsam mit einer Integrationshelferin besucht. Freunde habe sie dort bislang keine finden können. Aufgrund ihrer Disposition habe die Familie auch noch keinen Verein ausfindig machen können, bei dem sie Anschluss finden könnte. „Sie ist eigentlich nur drin und komplett isoliert.“
Selina und ihre Familie setzen die Hoffnung nun auf einen Reha-Assistenzhund, der ihr im Alltag Halt geben könnte. Denn in der Gegenwart von Hunden fühle sie sich sehr sicher. Die Familie erhofft sich, dass ein ausgebildeter Hund Selina herunterregulieren könnte, sobald sie hochkocht. „Ein Assistenzhund wird auf körperliche Merkmale trainiert, kann etwa einschreiten, wenn Selina ihre Hände knetet“ – oft ein Warnzeichen, bevor die 13-Jährige explodiert, weiß Stephanie Helbrecht. Außerdem würde ein Hund ihren physischen Raum vergrößern, sodass Leute ihr weniger nah kommen. Es habe nun sogar schon ein erstes Treffen mit dem Verein „Reha-Assistenzhunde Cammin“ und Assistenzhund Nelly gegeben.
Selina sei danach entspannt gewesen wie selten, erkundige sich seitdem immer wieder: „Wann kann Nelly endlich zu uns kommen?“. Das Problem: Die Ausbildung eines Assistenzhundes kostet stattliche 35.500 Euro – Geld, das die Familie aus dem Ruhrgebiet nicht hat und keine Krankenkasse übernimmt.
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Stephanie Helbrecht hat nach eigenen Angaben bereits 250 Stiftungen und die 50 größten Arbeitgeber der Region um Hilfe gebeten. Die regionale Sparkasse habe bereits einen Beitrag versprochen, genau wie Selinas Optiker. Die Familie hofft nun auf weitere Spenden, um Selina einen Assistenzhund an die Seite stellen zu können. Du möchtest Selina und ihre Familie unterstützen? Das ist das offizielle Spendenkonto des Vereins:
Konto: „Team Selina und Nelly“ bei Reha-Assistenzhunde e.V.
IBAN: DE11 1406 1308 0906 8445 29
Verwendungszeck: Selina aus Gladbeck