In Deutschland gibt es laut Statistischem Bundesamt fünf Millionen Pflegebedürftige. Davon werden über 80 Prozent zu Hause versorgt. Bis 2055 soll die Zahl der pflegebedürftigen Menschen auf knapp sieben Millionen steigen (+ 37 Prozent). Denn: Der demographische Wandel hat Deutschland fest im Griff. Die Bevölkerung wird immer älter – so gibt es in Zukunft auch mehr pflegebedürftige Menschen.
Allerdings ist das deutsche Pflegesystem vom Fachkräftemangel und von hohen Kosten belastet. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will gegensteuern und die Finanzlücke schließen. Die Bundespolitik arbeitet derweil an einem „Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz“ (PUEG). Die Pflegereform erntet allerdings Kritik.
Pflege: Weniger Netto vom Bruttolohn
Lauterbach will vor allem durch zusätzliche, finanzielle Mittel das Pflegesystem stabilisieren. So sollen sich die Einnahmen der Pflegeversicherung um 6,6 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen. Ab 1. Juli ändern sich die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung. Der allgemeine Beitragssatz von 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens soll auf 3,4 Prozent steigen. Kinderlose zahlen 4 Prozent statt bisher 3,4 Prozent. Auch, wenn der Arbeitnehmer-Beitrag sich auf 2,3 Prozent erhöht, bekommen diese weniger Netto vom Bruttolohn. Eltern mit mehreren Kindern müssen weniger zahlen. Mit zwei und mehr Kindern zahlen sie zwischen 3,15 und 2,4 Prozent.
Es brauche mehr Entlastungen für Familien mit pflegebedürftigen Kindern, sagte Lisa Thelen, Sprecherin Interessenvertretung pflegender Angehöriger „Wir pflegen e.V.“, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Den Gesetzentwurf kritisierte die Vertretung als „Feigenblatt-Reförmchen“. Sie fordert unter anderem einen Rechtsanspruch auf Tagespflege und und eine Lohnersatzleistung. „Da hapert es noch sehr“, mahnt Thelen.
Pflege: „Versicherte durch höhere Beitragssätze belastet“
Kritik kommt auch von der Arbeiterwohlfahrt e.V. (AWO). So mahnt AWO-Präsidentin Kathrin Sonnenholzner: „Diese ‚Reform‘ verdient den Namen nicht.“ Diese könne die Probleme der Pflege in Deutschland nicht einmal im Ansatz lösen, warnt die AWO schon länger. „Das Beharren auf unzureichenden Konzepten zeigt, was dieser Regierung Pflege wert ist: Mit diesem Gesetz lässt die Koalition pflegebedürftige Menschen und deren An- und Zugehörige genauso im Regen stehen wie die beruflich Pflegenden.“
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Vor allem bemängelt die AWO-Präsidentin, dass dringende Leistungsverbesserungen und -vereinfachungen ausblieben oder ganz aus dem Referentenentwurf zurückgenommen seien. Drohende Zahlungsunfähigkeit der Pflegekassen werde verschoben statt grundsätzlich abgewendet. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Entlastung der Pflegekassen werde nicht umgesetzt. Sonnenholzner mahnt: „Der Gesetzesentwurf bleibt hinter den Vereinbarungen dieser Koalition zurück. Stattdessen werden einmal mehr die Versicherten durch höhere Beitragssätze belastet.“
Die AWO fordert stattdessen Nachbesserungen:
- Entlastung der Pflegeversicherung von versicherungsfremden Leistungen
- Deckelung der Eigenanteile der Pflegebedürftigen einschließlich der Herausnahme der Ausbildungskosten aus den Eigenanteilen
- Verbesserung der Leistungen für Pflegebedürftige
- Verbesserung der Arbeitsbedingungen von beruflich Pflegenden