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ZDF-Star Hannes Jaenicke: DARUM würde er nie aufs „Traumschiff“ gehen

ZDF-Star Hannes Jaenicke hat eine Doku über Meeresschildkröten gedreht. Im Interview spricht er über Umweltverschmutzung und das Traumschiff.

Hannes Jaenicke
Hannes Jaenicke mit einer frisch geschlüpften Oliv-Bastard-Schildkröte am Strand von Ostional in Costa Rica. Foto: ZDF und Markus Strobel

Er ist einer der bekanntesten Schauspieler des Landes: Hannes Jaenicke. Der 63-Jährige war schon mehrfach im „Tatort“ zu sehen, spielte in etlichen TV-Produktionen mit. Doch Hannes Jaenicke ist auch ein leidenschaftlicher Tierschützer.

Mit seiner ZDF-Reihe „Hannes Jaenicke im Einsatz“ kämpfte der Schauspieler und Aktivist schon für die Rechte von Schweinen, Wölfen oder Delfine. In seinem neuesten Film, den das ZDF am 9. Mai 2023 um 22.15 Uhr zeigt, kümmert sich Jaenicke um die Meeresschildkröten.

Es ist immer wieder beeindruckend, zu sehen, wie Sie auch bei den abscheulichsten Bildern die Fassung wahren. Mir wären beinahe die Tränen gekommen. Wie schaffen Sie das?

Hannes Jaenicke: „Mir geht es genau wie Ihnen. Aber wenn ich vor der Kamera stehe, trete ich nicht als Aktivist oder als Tierschützer vor die Kamera, sondern versuche, journalistisch und wissenschaftlich zu arbeiten. Solange ich diese Filme machen kann, kann ich relativ gut schlafen. Es wäre für mich schlimmer, nichts tun zu können.

Ich habe meinen ersten Film über Orang-Utans gedreht, da sind wir zufällig auf ein Orang-Utan-Weibchen gestoßen, das, an ein Eisenbett gekettet, in einem Holzfäller-Puff angeboten wurde. Für umgerechnet 50 Cent. Die menschliche Prostituierte kostete zwei Euro. Dass der Mensch die Natur vergewaltigt, ist für mich also nichts Neues. Insofern habe ich mich traurigerweise an diese Art von Bildern gewöhnt.“

Kam es trotzdem zu Momenten, die Ihnen sehr nahe gingen?

Jaenicke: „Das war definitiv bei Archelon so, einem großartigen Auffangprojekt in Athen. Dort werden Meeresschildkröten eingeliefert und gerettet, die von Fischern mit Äxten oder Eisenstangen traktiert wurden, weil sie immer noch glauben, die Schildkröten zerstören ihre Netze und klauen ihren Fisch. Dass die Tiere das überleben und oft sogar noch ausgewildert werden können, ist für mich ein Wunder. Aber sich das anzugucken, ist schwer.“

Nach welchen Kriterien wählen Sie die Arten für Ihre Filme?

Jaenicke: „Wir suchen uns ein brisantes Umweltthema und dazu dann das passende Tier. In diesem Fall wollte ich etwas über den Zustand unserer Ozeane machen, und da bot sich kein anderes Tier so gut an. Die Meeresschildkröte ist A: Ein Symbol für unseren Plastikkonsum und die Vermüllung der Meere, B: Für die Überfischung und unseren Fischkonsum, und C: Für die Klimakrise. Das sind die Themen, die die Meeresschildkröten an den Rand der Ausrottung gebracht haben.“

Die Gründe für Artensterben ähneln sich. Es geht um den Wegfall von Lebensraum und Umweltverschmutzung. Tun wir zu wenig für den Artenschutz?

Jaenicke: „Wir machen viel zu wenig und das viel zu langsam. Der CO2-Ausstoß steigt weiter, der Plastikkonsum nimmt rapide zu, Artensterben und Klimaerwärmung beschleunigen sich. Es passiert viel zu wenig, und das zu spät. Trotzdem gibt es weltweit Projekte, die großartige Arbeit leisten und Hoffnung machen. Ich denke, dass wir erst dann mit unserer Umwelt anders umgehen, wenn der Leidensdruck weiter steigt. Spätestens, wenn wir überhaupt kein Wasser mehr haben, wenn wir am Plastikmüll ersticken, so wie es bei Tieren der Fall ist. Insofern bin ich, so schräg das klingt, immer noch guter Hoffnung.“

Hoffnung macht auch, dass die Jugend scheinbar verstanden hat, worum es geht. Es gibt zahlreiche Demonstrationen, die „Letzte Generation“ klebt sich für das Klima auf die Straße. Was halten Sie von derlei Aktionen?

Jaenicke: „Die Frage wundert mich ein bisschen. Ich finde es erstaunlich, wie wütend Deutschland über diese Klimakleber diskutiert, anstatt über das Thema selbst. Eigentlich müssten wir über die Klimakrise diskutieren, anstatt uns über die Klimakleber aufzuregen. Ich selber klebe mich nicht fest, ich schreibe Bücher und mache Filme zu dem Thema.

Ich glaube, die ‚Letzte Generation‘ muss aufpassen, dass sie nicht die Wut der Durchschnittsbevölkerung auf sich zieht. Aber in Deutschland wäre es tatsächlich fruchtbarer, wenn Herr Merz, Herr Dobrindt, Herr Söder, Herr Lindner, Herr Wissing und wie sie alle heißen, nicht über die Klimakleber schimpfen, sondern tatsächlich mal das Problem der Klimakrise angehen würden. Insofern ist diese Diskussion im Moment fehlgeleitet und reichlich überflüssig.“

Sie haben jetzt nur Herren der FDP und der Union in die Verantwortung gezogen. Was sind Ihre konkreten Vorwürfe und was machen SPD und Grüne besser?

Jaenicke: „Naja, Herr Scholz nennt sich ja auch Klimakanzler. Ich habe bisher aber noch nichts gesehen, wo er sich wirklich aktiv für den Klimaschutz einsetzen würde. Ich war Teil der Klage vor zwei Jahren gegen die Untätigkeit der Bundesregierung, wir haben diese Klage, wie man weiß, gewonnen, insofern wurden und werden hier Gesetze gebrochen. Politiker leisten einen Amtseid, dass sie zum Wohle des Volkes arbeiten. Der Umweltzerstörung aber so tatenlos zuzugucken oder gar zu befeuern, wie die FDP das tut, halte ich tatsächlich für fragwürdig, um nicht zu sagen verwerflich. Diese Hörigkeit vor den Industrielobbyisten ist verantwortungslos.“

Ein wichtiger Industriezweig ist der Tourismus und auch die Kreuzfahrtindustrie. In Ihrer Dokumentation zu den Meeresschildkröten kommt sie, für mich überraschend, nicht vor. Woran lag das?

Jaenicke: „Bei der direkten Bedrohung der Meeresschildkröten sind Containerschiffe, Kreuzfahrtschiffe oder große Frachter nicht das brennendste Thema. Schildkröten verfangen sich in Fischnetzen, an Langleinen, sie ersticken an Plastikmüll, weil Quallen eine Hauptnahrung sind und sie Quallen mit Plastiktüten verwechseln. Die Bedrohung der Meeresschildkröte hat nur sekundär mit der Schifffahrt zu tun. Wenn sie mit Schifffahrt zu tun hat, dann mit der Fischerei. Aber Sie haben recht, Kreuzfahrtschiffe sind ein Umwelt-Verbrechen, egal wie grün sie beworben werden. Es gibt bis heute kein nachhaltiges Kreuzfahrtschiff. Das ist einfach gelogen. Man darf aber auch nicht vergessen: Drei Millionen Deutsche buchen jedes Jahr eine Kreuzfahrt. ‚Das Traumschiff‘ ist eine der erfolgreichsten deutschen Fernsehserien. Das ist also tatsächlich ein Thema, vor allem was den CO2-Ausstoss betrifft. Das geht mit dem Autoverkehr weiter, mit dem Flugverkehr, die Mobilitätswende lässt auf sich warten. Kreuzfahrten sind also ein Teil des Problems, aber keine direkte Bedrohung für Meeresschildkröten.“

Also wird man Sie nicht auf dem „Traumschiff“ sehen?

Jaenicke: „Ich habe noch nie eine Kreuzfahrt gemacht und werde auch ganz bestimmt keine machen. Ich bin begeisterter Segler, ich fahre lieber mit der Kraft der Natur als mit stinkendem Schiffsdiesel.“

Wir sprachen gerade schon über das Auto. Schränken Sie sich ein?

Jaenicke: „Ich habe eine Bahncard. Ich fahre viel mit der Deutschen Bahn, so mühsam das manchmal sein mag. Aber berufsbedingt muss ich natürlich oft fliegen. Wir fliegen so wenig wie möglich und haben auch bei diesem Film versucht, die Strecken so kurz wie möglich zu halten. Privat habe ich ein E-Auto, aber ansonsten fahre ich Bahn. Ich habe in jeder deutschen Großstadt ein Fahrrad stehen, auch wenn es manchmal geklaut wird, und versuche meinen CO2-Ausstoß so gering zu halten, wie es irgendwie geht.“

Ihren Film über die Meeresschildkröten zeigt das ZDF am 9. Mai. Können Sie schon verraten, welches Thema als Nächstes ansteht?

Jaenicke: „Ich würde gerne ein brisantes Thema angehen, eines, das in Deutschland viel zu wenig diskutiert wird. Das Thema Böden. Unsere Böden sind aufgrund der Pestizidbelastung, Überdüngung und Übergüllung in einem desaströsen Zustand. Ich glaube, dass die Gen-Schere ein riesiges Thema wird, also wie wir unsere Nutz- und Haustiere züchten. Die Amerikaner züchten jetzt schon Rinder mit dünnerer Haut und weniger Fell, damit sie dem Klimawandel besser angepasst sind.“

Wie macht man das Thema Böden sexy?

Jaenicke: „Akut auf der Roten Liste der aussterbenden Arten steht der Feldhamster, ein durchaus süßes Tierchen. Wenn ich den richtig filme, ist das ein sympathisches Tier. Ich könnte es auch über den Feldhasen erzählen, auch der ist vom Aussterben bedroht. Was ich sagen will: Wir finden mit Sicherheit ein Tier, mit dem wir dieses Thema bebildern können. Ich weiß, es klingt erstmal abstrakt. Aber wir suchen keine Themen, die schon ständig in den Medien sind, sondern wir suchen neue, brisante Umweltthemen. Böden sind in den USA und Indien bereits ein riesiges Thema, aber bei uns noch nicht.“


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Warum sind wir so weit zurück?

Jaenicke: „Das hat sicherlich mit einer gewissen Innovationsfeindlichkeit und Innovationsskepsis zu tun. Und wir Deutschen sind Gewohnheitstiere. Wir denken ungern um, und wenn, dann zögerlich und langsam. Wir wollen liebgewonnene Gewohnheiten nur ungern ändern. Eigentlich müssten wir unseren Fleisch- und Plastikkonsum, unseren Co2-Ausstoß reduzieren. Aber das ist auf den ersten Blick einfach unbequem. Es gibt Länder, die sind neugieriger, schneller, innovativer.  Von denen sollten wir lernen.“