Veröffentlicht inPolitik

Wahlrechtsreform: Die scheinheilige Empörung der CSU – Söder treibt doppeltes Spiel

Die CSU schäumt vor Wut: Ihr droht wegen der Wahlrechtsreform das Aus im Bundestag. Doch Moment: Was steht denn in der bayerischen Verfassung?

Söder und die Wahlrechtsreform
© IMAGO / Sven Simon, IMAGO / Shotshop

Söder-Tochter Gloria: Wie sie die Magersucht überwandt

Sie steht im Rampenlicht, sowohl als Model als auch als Tochter des bayerischen Ministerpräsidenten. Nun hat Gloria-Sophie Burkandt über ihre Magersucht gesprochen.

Seit 1957 ist Bayern ununterbrochen CSU-Land. Die Christsozialen sind fast so etwas wie eine Staatspartei im Freistaat, stellen seit Jahrzehnten die Regierungschefs. Dementsprechend müsste die Partei eigentlich die eigene Verfassung drauf haben. Da verwundert es schon, wie inbrünstig die Partei gegen die Wahlrechtsreform der Ampel auf Bundesebene in Schlacht zieht.

Um den aufgeblähten Bundestag wieder zu verkleinern, will die Ampel auch die Grundmandatsklausel abschaffen. Die besagt, dass eine Partei auch dann in den Bundestag einzieht, wenn sie zwar bundesweit unter 5 Prozent der Stimmen geholt hat, dafür aber mindestens drei Wahlkreise direkt gewinnen konnte. Davon profitiert in der aktuellen Legislaturperiode die Linkspartei. Doch auch für die Christsozialen kann der Wegfall dieser Regel mal existenzielle Folgen haben.

Wahlrechtsreform: CSU auf den Barrikaden

Bei der Bundestagswahl 2021 holte die CSU auf ganz Deutschland gerechnet lediglich 5,2 Prozent der Stimmen. Es ist also realistisch, dass die Söder-Partei bei der nächsten oder einer der kommenden Bundestagswahlen unter diese Hürde fällt – und dann würden ihr auch viele Wahlkreisgewinner nichts bringen. Sie wäre ganz raus aus dem Bundestag!

Die CSU läuft nun Sturm dagegen – aus ihrer Sicht verständlich. Doch da wird eine Frage aufgeworfen: Wieso will die CSU gegen die Wahlrechtsreform in Karlsruhe klagen – aber lässt seit Jahrzehnte eine identische Gesetzeslage in Bayern zu?

Blick in die bayerische Verfassung

So heißt es im Artikel 14, Absatz 4 der bayerischen Landesverfassung: „Wahlvorschläge, auf die im Land nicht mindestens fünf vom Hundert der insgesamt abgegebenen gültigen Stimmen entfallen, erhalten keinen Sitz im Landtag zugeteilt.“

Und dann im Artikel 43, Absatz 2: „Kann die nach Absatz 1 gewählte, sich bewerbende Person gemäß Artikel 14, Absatz 4 der Verfassung keinen Sitz zugeteilt erhalten, so scheiden die auf sie entfallenen Stimmen aus. Als gewählt gilt in diesem Fall der Stimmkreisbewerber mit der nächsthöheren Stimmenzahl.“

Söder und die Wahlrechtsreform
Söders CSU läuft Sturm gegen die Wahlrechtsreform der Ampel. Aber kennt er seine eigene bayerische Verfassung nicht? Foto: IMAGO / Sven Simon, IMAGO / Shotshop

Heißt ganz klar: Theoretisch könnten Bewerber einer Partei X bei einer bayerischen Landtagswahl die Mehrheiten in Wahlkreisen erringen, aber nicht einziehen. Dann nämlich, wenn ihre Partei landesweit nicht auf über 5 Prozent kommt. Ihre Sitze wären futsch – und würde den nächsterfolgreichen Stimmkreisbewerbern zugeteilt.


Auch spannend:


Ist die Kritik der CSU an der Ampel-Reform scheinheilig?

Dennoch poltert CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, dass die Wahlrechtsreform der Ampel undemokratisch sei. Er spricht gar von einer „bewussten Manipulation“ zugunsten der Ampel-Parteien. CSU-Chef Markus Söder wirft der Ampel via Bild einen „Angriff auf unsere Demokratie“ vor.

So bleibt der Beigeschmack: Wenn eine Gesetzgebung der CSU dabei hilft, die Mehrheit in Bayern zu sichern, bleibt das Wahlrecht im eigenen Land unangetastet. Wenn jedoch der eigene Machterhalt in Berlin gefährdet ist, ist das Geheule bei der identischen Gesetzgebung im Bund groß.

In einem Kommentar hat sich unser Mitarbeiter Jonas Forster bereits mit der Rolle von Markus Söder bei der Wahlrechtsreform auseinandergesetzt.