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Bürgergeld: Finanzexperte ordnet neue Regelsätze ein – „Wird auf Dauer nicht langen“

Gerade einkommensschwache Haushalte treffen die Teuerungen besonders stark. Bürgergeld-Bezieher müssen jeden Cent zwei mal umdrehen. Reicht die Erhöhung?

Bürgergeld hat Hartz 4 abgelöst. Reicht der neue Regelsatz angesichts der Inflation aus?
© IMAGO / Michael Gstettenbauer

Das ist das neue Bürgergeld

Nach der Einigung im Vermittlungsausschuss haben Bundestag und Bundesrat die Einführung des Bürgergelds beschlossen. Damit kann die neue Grundsicherung für Langzeitarbeitslose wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten.

Seit dem neuen Jahr ist Hartz 4 Geschichte. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) spricht beim neuen Bürgergeld von der „größten Sozialreform seit zwanzig Jahren“. Diese hat den „Anspruch, den sozialen Zusammenhalt zu stärken“.

Das Bürgergeld will Menschen, deren Existenz bedroht ist, absichern und ihnen neue Chancen ermöglichen. Dabei sind zum Beispiel bessere Möglichkeiten für Aus- und Weiterbildungen vorgesehen. Auch gibt es beim der Sozialreform höhere Regelsätze. Doch viele fragen sich, ob diese überhaupt angesichts der steigenden Preise ausreichen? Wichtige Fragen und Antworten im Überblick.

Bürgergeld-Regelsatz reicht nicht aus

Bis zum 1. Januar 2023 hatten Leistungsempfänger noch 449 Euro pro Monat erhalten. Der neue Bürgergeld-Regelsatz sieht für alleinstehende Erwachsene monatlich 502 Euro vor, ein Plus von 53 Euro. Doch schafft diese Erhöhung tatsächlich den Inflationsausgleich?

„Wahrscheinlich wird das auf Dauer natürlich nicht reichen“, meint Finanzexperte Hermann-Josef Tenhagen im Gespräch mit dem ARD „Morgenmagazin“. „Man kann sich das so vorstellen: Ein Bürgergeld-Empfänger bekommt 500 Euro, ein Drittel gibt er für Lebensmittel aus, wenn die Lebensmittel-Inflation bei 10 Prozent liegt, dann wird das auf Dauer nicht langen.“

Trotzdem merkt der Chefredakteur des Geld-Ratgebers „Finanztip“ an, dass die Erhöhung beim Bürgergeld-Regelsatz besser sei als die Erhöhungen die Jahre zuvor. Aber: Das müsse natürlich weitergehen und sich steigern.

Bürgergeld: Werden Empfänger weiter sanktioniert?

Das Bürgergeld soll „mehr Sicherheit, mehr Respekt und mehr Freiheit für ein selbstbestimmtes Leben“ bedeuten. Doch werden Empfänger ebenso wie bei Hartz 4 weiterhin sanktioniert?

„Ja, das ist nach wie vor so“, erklärt Tenhagen. „Wenn man beispielsweise einen Termin beim Jobcenter hat und diesen nicht wahrnimmt, auch mehrmals nicht, dann kann das Bürgergeld erst mal um 10 Prozent gekürzt werden, dann um 20 Prozent und zum Schluss sogar um 30 Prozent“.

Bürgergeld: So viel dürfen Bezieher besitzen

Neu jedoch beim Bürgergeld ist das veränderte Schonvermögen. Dieses darf deutlich höher sein. „Wenn man das Bürgergeld erstmals beantragt, dann darf der Haushaltsvorstand ein Vermögen bis zu 40.000 Euro auf einem Bankkonto haben, das er nicht aufbrauchen muss“, erklärt der Finanzexperte. Für andere Haushaltsmitglieder gelte eine Summe von 15.000 Euro pro Person im ersten Jahr.

„Im zweiten Jahr darf man ’nur‘ noch 15.000 Euro pro Nase im Haushalt haben“, so Tenhagen. Alles, was darüber liege, müsse man aufbrauchen. „Eine Altersvorsorge, eine Rentenversicherung wird nicht mitgezählt“. Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) sei das Vermögen in diesem Rahmen geschützt, „um Bürgergeldberechtigte in ihrem Bestreben zu unterstützen, sich von der Hilfe unabhängig zu machen und ihnen einen gewissen Spielraum in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit zu erhalten.“ Das Bürgergeld solle als „vorübergehende Hilfe“ verstanden werden.

Bürgergeld: Wer ist berechtigt?

Doch wer bekommt nun alles Bürgergeld? Haben auch Studenten einen Anspruch auf die neue Sozialreform? „Normalerweise nicht“, erklärt Tenhagen. „Wenn ich als Student Bürgergeld bekommen würde, dann würde ich als erste Variante BAföG erhalten“.


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Laut BMAS ist nur derjenige anspruchsberechtigt, der „erwerbsfähig ist und seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen decken kann und andere, vorrangige Leistungen nicht ausreichend sind“. Wer als nicht erwerbsfähige Person mit einem Bürgergeld-Berechtigten in einem Haushalt lebt, erhält ebenfalls den monatlichen Zuschuss. Diejenigen, die zuvor schon Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld hatten, erhalten künftig auch Bürgergeld.