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Hartz 4: Grüne versprachen 600 Euro – jetzt feiert sich Partei für weniger

Das Bürgergeld wurde im Bundestag beschlossen – im Bundesrat droht Blockade. Die Grünen forderten vor der Wahl aber eigentlich mehr. Was steckt dahinter?

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Streit um Bürgergeld - CDU droht mit Blockade

Die Ampel will Bedürftigen künftig besser helfen. Doch aus Sicht der Union setzen die bisherigen Pläne für das Bürgergeld die falschen Anreize - sie erhöht den Druck.

„Ein historischer Tag im Bundestag“, twittert Sven Lehmann (Grüne), parlamentarischer Staatssekretär, über die Abstimmung über das Bürgergeld. Nach heftigen Debatten der Ampel-Regierung und der Opposition am Donnerstag (10. November) wurde das Gesetz zur Bürgergeld-Reform im Bundestag beschlossen.

Für viele Grund zum Feiern. Auch Grüne-Politiker teilen ihre Freude in den Sozialen Netzwerken. Doch viele wundern sich darüber. Haben die Grünen nicht vor der Wahl etwa rund 100 Euro mehr verlangt?

Bürgergeld im Bundestag beschlossen

Das von Arbeitsminister, Hubertus Heil (SPD), geplante Bürgergeld soll ab 01. Januar 2023 das oft kritisierte Hartz 4 ablösen. Zum Jahreswechsel soll der Regelsatz beim Bürgergeld um 53 Euro steigen. Die Ampelparteien sehen Regelsätze von bis zu 502 Euro vor. Auch soll es mehr Weiterbildungsmöglichkeiten und weniger Sanktionen geben.

Mit einer Mehrheit der Ampel-Koalition wurde das Gesetz im Bundestag beschlossen. Damit das Gesetz aber auch in Kraft treten und der höhere Regelsatz zum Januar umgesetzt werden kann, muss auch die Union im Bundesrat zustimmen. CDU-Chef Friedrich Merz hat bereits angekündigt, die unionsgeführten Länder würden planen, die Reform im Bundesrat zu blockieren.

Die Grünen fordern auf Twitter, dass die Union „ihre Blockadehaltung aufgeben“ müsse. Diese trage selbst in der Opposition auch Verantwortung dafür, dass das Bürgergeld zum 01. Januar in Kraft tritt, betonte die Partei weiter.

Bürgergeld: Freude über 502 Euro –Sinneswandel bei den Grünen?

Für den Grünen-Politiker Sven Lehmann gibt es schon jetzt Grund zum Feiern. Er schreibt auf Twitter: „Ich kann kaum in Worte fassen, wie wichtig das ist für einen modernen Sozialstaat, der Menschen nicht misstraut, sondern ihre Potenziale sieht.“

Doch auch die Grünen haben, ähnlich wie das Prestige-Projekt der SPD, vor der Wahl eine Alternative zu Hartz 4 vorgeschlagen. Die von den Grünen geforderte „Garantiesicherung“ sollte 600 Euro für Alleinstehende betragen. Denn Lehmann bezeichnete die damaligen Hartz-4-Regelsätze als „viel zu niedrig“. Auch Sanktionen sollten in der „Garantiesicherung“ ganz abgeschafft werden. Beim Bürgergeld soll zumindest in der sechsmonatigen Vertrauenszeit auf Sanktionen verzichtet werden.

Einer, der diesen „Sinneswandel“ kritisiert, ist der freie Journalist, Martin Rücker. Rücker, der unter anderem für „Die Welt“ geschrieben hat, retweetet den Post von Lehmann mit den Worten: „Mir fehlt da ein Hinweis, warum Sie vor der Wahl einen Regelsatz von 600 Euro für angemessen hielten und jetzt, eine Rekord-Inflation später, 502 Euro feiern?“

Der Journalist möchte vom Grünen-Politiker wissen, ob die alte Forderung falsch sei oder ob es einen Grund gebe für den Sinneswandel. Der parlamentarische Staatssekretär antwortet, er halte das nach wie vor für angemessen und notwendig. „50 Euro waren in dieser Koalition als Schritt möglich – mehr im Moment leider nicht“, so Lehmann. Weitere Erhöhungen müssen laut dem 42-Jährigen aber folgen.


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Für Erhöhungen beim Bürgergeld plädiert auch der Paritätische Gesamtverband. Die Regelsätze in Höhe von 502 Euro schätzt er als „viel zu niedrig“ ein. Der Verband fordert deshalb eine Anhebung der Beiträge auf 725 Euro und eine Übernahme der Stromkosten. „Angesichts der Notlage der Betroffenen sei keine Zeit zu verlieren“, schlägt der Dachverband der Freien Wohlfahrtspflege Deutschlands in Hinblick auf die Politik Alarm.