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G7 in Münster: Ex-Grünen-Wählerin nennt Baerbock „Kriegstreiberin“ – Ukrainerin: Deutsche werden „müde“

Es treffen Welten aufeinander bei Demos rund um den G7-Gipfel in Münster. Auf der einen Seite Gegner von Baerbock, daneben Ukrainer.

G7 In Münster mit Demos
© jfo

Das ist Annalena Baerbock

Mehr über die Außenministerin

Was so ein G7-Gipfel doch für eine Wirkung hat. Aus dem sonst so beschaulichen Münster macht das zweitätige Spitzentreffen, zu dem Außenministerin Annalena Baerbock an diesem Donnerstag und Freitag eingeladen hat, eine bedrohliche Kulisse. Kilometerlange Straßenabsperrungen verwandeln das historische Zentrum in eine Geisterstadt. An jeder Ecke Polizeiautos. Tausende Sicherheitskräfte – bis zu den Zähnen bewaffnet und zur Unkenntlichkeit vermummt. Scharfschützen auf den Dächern. So sieht eine Stadt aus, die sich aufrüstet, um den Frieden zu verhandeln.

Einige Geschäfte blieben von vornherein geschlossen. Wenn sie nicht von den Straßensperren betroffen sind, hielten sie die Demonstrationen davon ab ihre Pforten zu öffnen. Aus demselben Grund schickten Schulen, die sich in der Nähe der Innenstadt befinden, ihre Schüler früher nach Hause. Während die einen im trauten Heim Zuflucht fanden, suchten viele Demonstranten Gehör.

G7-Gipfel in Münster: Ex-Grünen-Wählerin enttäuscht von Baerbock

„Ich bin zu verschiedenen Zeiten auf Friedensdemonstrationen und zurzeit ist es wichtiger, als zu irgendeinem anderem Zeitpunkt“, begründet Gisela ihre Teilnahme an der Demonstration „Verhandeln statt schießen! Frieden schließen!“ auf dem Prinzipalmarkt. Der Mainstream gehe in die Richtung mehr Waffen zu liefern, „obwohl das weitere Risiken Richtung Weltkrieg mit sich bringt“, so die 73-Jährige, die sich zusammen mit ihren Freunden von der Friedensorganisation Pax Christi auf der Demo befindet. Sie kritisiert und fordert zugleich: „Es fehlt an Anstrengungen zu Verhandlungen zu kommen und ich möchte dass das passiert“!

In ihrem Berufsleben habe sie als Psychiaterin und Neurologin gearbeitet. Sie drückt sich gewählt aus. Frei von Eitelkeit bringt sie ihre Anliegen sachlich auf den Punkt. Sie meint es ernst. Mit den Grünen habe die ehemalige Grünen-Wählerin jedoch gebrochen. Annalena Baerbock komme ihr wie eine „Kriegstreiberin“ vor, „die das immer anfacht und völlig vergisst aus welchen Wurzeln die Grünen einst gewachsen sind“, so die Rentnerin.

G7 In Münster mit Demos
Rund um G7 in Münster: Friedensdemonstranten treffen auf Ukrainer. Foto: jfo

Linksradikale zeigen Verständnis für Russland: Putin keine Gebiete „wegnehmen“

Ebenfalls in der Innenstadt als Demonstranten: Mehrere junge Menschen mit leuchtend roten Flaggen. Sie kommen von der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ). Laut dem Verfassungsschutz betrachtet sie sich als Nachwuchsorganisation der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) – sie wird unter der Rubrik „linksextremistische Bestrebungen und Verdachtsfälle“ genannt.

Unter ihnen der 23-jährige Lehramtsstudent Marco aus Bielefeld, der sich mit seinen Gleichgesinnten auf den Weg nach Münster gemacht hat: „Die Außenpolitik von G7 eskaliert den Krieg. Wir sind gegen Waffenlieferungen. Wir sind gegen die Sanktionspolitik“. Letztere sei nichts anderes als ein „Wirtschaftskrieg gegen Russland“.

G7-Gipfel
Marco mit hartem Urteil. Foto: Jonas Forster

Auf die Frage, was man stattdessen machen solle, führt er nach anfänglichem Zögern aus, dass es möglich sei „sich an einen Tisch zu setzen“. Natürlich müsse man dann Zugeständnisse machen. „Russland wird einem Frieden nicht zustimmen, wenn man sagt: ´Wir nehmen dir Gebiete weg`“, so der 23-Jährige.


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Ukrainerin merkt, dass die Deutschen kriegsmüde werden

Es sind die harten Urteile und Forderungen, mit denen die Menschen auf der Friedensdemo auffallen. Keine 500 Meter Luftlinie entfernt demonstrieren auf dem Domplatz vor allem ukrainische Flüchtlinge. Im Gegensatz zu den Demonstranten auf dem Prinzipalplatz sind das direkt Betroffene. Viele sind gerade erst nach Deutschland geflohen, sie sprechen (noch) kein Deutsch.



Die 38-jährige Sprecherin Olga hingegen schon. Eindrücklich schildert sie von ihren Erfahrungen: „Ich kann mich noch sehr gut an die erste Demo in Münster, zwei Tage nach dem Kriegsausbruch, erinnern. Es waren so viele Menschen da. Dann habe ich immer wieder an solchen Demonstrationen teilgenommen und gemerkt, wie die deutsche Bevölkerung müde und wie die Anzahl weniger wird“. „Ich möchte, dass der Krieg in Erinnerung bleibt“, beschreibt sie ihre Motivation zu demonstrieren.

Die Ukrainer hätten „sich diesen Krieg nicht ausgesucht“. Auch sie seien müde. Ihre Heimatstadt Winnyzja sei angegriffen worden. „Wenn du siehst, dass es den Ort nicht mehr gibt, wo du vor einem Jahr eine Tasche reparieren oder Fotos entwickeln ließ. Und das Gebäude, wo wir vor zwei Jahren Tickets für ein Konzert gekauft haben, komplett zerstört ist. Das geht einem unter die Haut.“ Auch wenn sie sich eine Luftabwehr für die Ukraine wünsche, wolle sie sich mit ihren Forderungen nicht zu weit aus „dem Fenster lehnen“. Die Menschen auf dem Domplatz fallen mit Dankbarkeit und Zurückhaltung auf.