Veröffentlicht inPolitik

Hartz 4: Schwere Erreichbarkeit beim Jobcenter? „Vor verschlossener Tür“

Leistungsberechtigte sollen Jobcenter nur eingeschränkt erreichen können. Das zeigt eine Umfrage von mehreren Beratungsstellen.

jobcenter
© IMAGO / Joko

Bürgergeld, Aktienrente und Kindergrundsicherung: Diese Reformen kommen

Bürgergeld unc Co.: Diese Reformen kommen

Gerade in Zeiten der Energiekrise sind Menschen immer mehr auf Hilfe angewiesen. Viele brauchen Unterstützung – nicht nur finanzielle von der Bundesregierung.

Eine Umfrage sozialer Beratungsstellen deckt jetzt auf, dass Leistungsberechtigte Jobcenter nur eingeschränkt erreichen können. Auch, wenn die Ergebnisse nicht repräsentativ sind, so geben sie doch einen guten Einblick in die aktuelle Problematik.

Lässt Jobcenter Kunden warten?

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) befragte in einer Umfrage fast 1.000 Mitarbeitende aus über 600 ihrer gemeinnützigen sozialen Beratungsstellen. Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, sollten laut dem Verband „nicht vor verschlossenen Türen stehen oder lange auf Termine warten müssen.“

Mit der Umfrage appelliert die Freie Wohlfahrtspflege an Bundesminister Hubertus Heil (SPD), „eine bessere Erreichbarkeit von Jobcentern für alle Leistungsberechtigten und angemessene Corona-Schutzvorkehrungen für den Winter sicherzustellen.“

Jobcenter kaum erreichbar

Bereits während Corona haben Jobcenter und Arbeitsagenturen aufgrund von Hygienemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen ihre Erreichbarkeit stark eingeschränkt. Dass sich das zum Teil bis heute nicht wirklich geändert hat, zeigt die Umfrage.

So gebe es laut fast einem Drittel (31 Prozent) keine frei zugängliche Eingangszone, die zum Beispiel zur Abgabe von Unterlagen genutzt werden kann. Mehr als ein Viertel (28 Prozent) der Befragten geben an, dass das Jobcenter keine regulären Öffnungszeiten habe. Und knapp 8 Prozent betonen, dass keine persönliche Beratung im Jobcenter möglich sei.

Zwar gibt es auch die Möglichkeit per Telefon das Jobcenter zu erreichen, aber gerade dieser Termin vor Ort ist wichtig. Der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, Ulrich Lilie, betont: „Vor allem Menschen, die ihre Anliegen nicht digital oder telefonisch vorbringen können – weil sie nicht gut Deutsch sprechen, mit den digitalen
Zugängen nicht zurechtkommen oder nicht richtig lesen und schreiben können – sind
auf das persönliche Gespräch vor Ort angewiesen.“

Folgen für Jobcenter-Kunden vielfältig

Diese teilweise erschwerte Erreichbarkeit der Jobcenter kann drastische Folgen nach sich ziehen. Die Befragten nennen als häufigste Folge, „dass Klientinnen und Klienten Hilflosigkeit erleben (76 Prozent) und sich Probleme verschärfen, weil eine schnelle persönliche Klärung nicht möglich ist (64 Prozent).“

Quelle: Erreichbarkeit von Jobcentern und Arbeitsagenturen für Hilfesuchende – Ergebnisse einer Umfrage der BAGFW Foto: BAGFW

So könne es auch zu einem verspäteten oder zu gar keinem Bezug von existenzsichernden Leistungen kommen. Die sozialen Beratungsstellen geben an, dass auch Unterlagen nicht oder deutlich verspätet das richtige Ziel erreichen. Die BAGFW schlägt deshalb unter anderem auch einen Notfalltresen, eine Notfallsprechzeit sowie einen Scanservice für Unterlagen vor. Auch die Wahrung von Fristen sei erschwert. Wohnungsverlust wird als Folge genannt – auch wenn nur zu 37 Prozent.


Mehr Themen:


Gerade mit Blick auf das ab Januar startende Bürgergeld, welches Vertrauen als Grundlagen haben soll, betont Lilie: „All das setzt voraus, dass alle Leistungsberechtigten ihr Jobcenter unkompliziert erreichen können, das ist eben nicht der Fall.“ Man müsse sich darauf verlassen können, dass man kompetent und zeitnah beraten werde und die Ansprechpersonen erreichbar sei.