Das Museum Folkwang in Essen zeigt Schlüsselwerke und Arbeiten des Fotografen Otto Steinert, die bisher nur selten zu sehen waren.
Essen.
Er war promovierter Arzt und passionierter Fotograf und wäre am 12. Juli 100 Jahre alt geworden: Otto Steinert. Aus dem Anlass wird das Museum Folkwang im Oktober unter dem Titel „In gegenwärtiges Licht getaucht“ Werke aus dem Nachlass zeigen. Noch ist die endgültige Auswahl nicht getroffen, doch es sollen rund 30 Bilder sein, Schlüsselwerke und solche, die bislang selten zu sehen waren.
1135 Abzüge sind es, die Steinert dem Museum hinterlassen hat. Hinzu kommen unter anderem ein sehr umfangreiches Negativarchiv, Korrespondenzen, Text- und Bilddokumente zu den von ihm kuratierten Ausstellungen sowie seine privat aufgebaute Fotosammlung, die das Museum erworben hat. Die Studiensammlung bildete damals den Grundstock der Fotografischen Sammlung, die Weltruf genießt.
Die kameralose Fotografie
Geboren wird Otto Steinert am 1915 in Saarbrücken. Bekannt wird er als die große gestaltende Figur der westdeutschen Nachkriegsfotografie und Initiator der subjektiven Fotografie. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist er es, der mit Mitstreitern der Gruppe „fotoform“ die Rückbesinnung auf die Bildkonzepte der Avantgarde-Fotografie der Zwischenkriegszeit propagiert, auf die formalen Experimente des Neuen Sehens und damit auf eine Fotografie, welche die reduzierte und abstrahierende Gestaltung an Stelle der reinen Abbildung setzt.
Neue fotografische Mittel sind nun die kameralose Fotografie, strenges Schwarz-Weiß, enge Ausschnitte, Langzeitbelichtung, die Umkehrung von Tonwerten sowie Mehrfachbelichtungen in der Dunkelkammer. Die von Steinert initiierten Ausstellungen zur subjektiven Fotografie werden weltweit rezipiert. Als Lehrer an der Folkwangschule für Gestaltung prägt er ab 1959 eine ganze Generation von Studierenden, baut 18 Jahre lang Essen zum Zentrum der europäischen Fotografie aus und festigt den herausragenden Ruf der fotografischen Ausbildung.
Fotojournalismus wird zum zentralen Gegenstand
In den 1960er Jahren öffnet sich Steinerts Lehre zwar dem „Druck der Straße“. Der Fotojournalismus wird zum zentralen Gegenstand der Lehre, doch das sorgfältig gestaltete Bild bleibt ihr Ausgangspunkt. Neben die praktische Auseinandersetzung tritt die historische Beschäftigung mit der Fotografie.
1978 stirbt Otto Steinert mit nur 63 Jahren. Die fotografische Landschaft der Bundesrepublik trägt da längst seine Prägung – steht gleichsam vor einem Umbruch: In den folgenden Jahren erobert die Farbfotografie die fotografische Lehre, als Objekt der historischen Auseinandersetzung hält das Medium Einzug ins Museum – auch Dank Ute Eskildsen, die damals als junge Kustodin am Museum Folkwang Steinerts fotohistorisches Erbe aufgreift. 34 Jahre lang baut sie die Sammlung aus. Die Frage nun, an welchen Stellen Steinert die Entwicklung des Mediums maßgeblich gefördert hat, aber auch, wo seine fotografische Auffassung ein Stück weit Flucht aus der Geschichte war, bleibt spannend und aktuell – auch nach seinem 100. Geburtstag. (sag)