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Über begründete und unbegründete Strahlenangst

Über begründete und unbegründete Strahlenangst

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Foto: WAZ FotoPool

Essen. 

Professor Streffer, was lernen wir aus Japan?

Streffler: Dass es vernünftig ist, ältere Reaktoren bei uns abzuschalten beziehungsweise sorgfältig zu überprüfen.

Und die anderen Reaktoren? Was ist mit denen?

Streffler: Wir haben hier in Deutschland hohe Sicherheits-Standards. Man wird moderne Kraftwerke sicher noch eine Zeit lang laufen lassen können. Vielleicht nicht so lange, wie von Manchen gedacht.

Verstehen Sie, dass Menschen Angst haben vor Atomkraft?

Streffler: Natürlich. Wir können die Strahlung mit unseren Sinnesorganen nicht wahrnehmen, und es wird über die möglichen Risiken sehr widersprüchlich berichtet. Andererseits werden in der Medizin Methoden mit Strahlen durchaus positiv wahrgenommen – weil sie dem betroffenen Menschen unmittelbar nützen.

Gab es in der breiten Öffentlichkeit jemals Proteste von, sagen wir, Röntgen-Assistenten, die Angst hatten um ihre Gesundheit?

Streffler: Ja, es gibt solche Sorgen. Aber unsere Regeln im Strahlenschutz sind so, dass Patienten in der Diagnostik durch Röntgenstrahlen und radioaktive Stoffe sowie die dort Beschäftigten keine Schäden bei sachgemäßer Handhabung erleiden. Das kann ich auch für mich selbst sagen. Wir haben in unserem Labor viel mit radioaktiven Stoffen experimentiert. Fälle, in denen Beschäftigte durch Strahlen geschädigt werden, haben in der Regel mit unsachgemäßem Umgang zu tun.

Zurück zur Atomenergie: Viele Experten haben die Rettungsversuche in Japan als dilettantisch empfunden.

Streffler: Ich muss sagen, ich kenne viele japanische Kollegen. Ich selbst habe unter anderem in Kyoto vier Monate lang eine Gastprofessur gehabt. Das Schadens-Management hat zu meinem Erstaunen teilweise einen unbeholfenen Eindruck gemacht. Das enttäuscht mich ein wenig. So haben sich Arbeiter die Füße durch radioaktives Material „verbrannt“. Sie haben keine sachgemäße Schutzkleidung getragen. Ebenso ist es sehr unerfreulich gewesen, dass Messdaten zunächst falsch angegeben worden sind.

Sind Sie eigentlich noch wissenschaftlich aktiv?

Streffler: Ja. Ich werde zu Tagungen und Vorträgen eingeladen, im Herbst erscheint ein neues Buch, das sich mit der Endlagerung von radioaktiven Abfällen befasst.

Wie muss ein sicheres Endlager aussehen?

Streffler: Wir könnten es aus wissenschaftlich-technischer Sicht längst haben. In allen Fällen in Deutschland hat die Politik den Verantwortlichen immer wieder Knüppel zwischen die Beine geworfen, und ein Konsens in der öffentlichen Meinung ist nicht erreicht worden.

Wo könnte ein solches Lager stehen?

Streffler: Als Wirtsgestein und Deckgebirge bieten sich Salz, Granit oder Ton an. Die Haupt-Kriterien, die wir in der Strahlenschutzkommission schon in den Achtziger Jahren aufgestellt haben, lauten: Erst nach 10 000 Jahren dürfen radioaktive Stoffe in die Biosphäre gelangen, und die Strahlendosis muss sich dann innerhalb der Schwankungen der natürlichen Strahlendosen bewegen. Das heißt, das Lager muss in 800 bis 1000 Metern Tiefe sein. In Schweden und Finnland gibt es bereits diese entwickelten Konzepte einschließlich der Festlegung von Standorten. Heute verlangt man von Seiten des Strahlenschutzes sogar einige Hunderttausend Jahre Sicherheit.

Mal was anderes: Verstehen Sie eigentlich, wenn Menschen Angst vor Handy-Masten haben?

Streffler: Ja. Dass Mütter nicht wollen, dass solche Masten oder Hochspannungsleitungen über den Kindergärten stehen, kann ich nachvollziehen. Dafür ist zu viel über die Wirkungen solcher Strahlen kontrovers veröffentlicht worden.

Wer hat jetzt Schuld? Die Strahlen oder die Veröffentlichungen?

Streffler: Es gibt unterschiedliche Berichte über Mobilfunkstrahlen und andere Mikrowellen – so nennt man die Strahlen. Fest steht aber, dass Schädigungen grundsätzlich erst dann auftreten, wenn sich das menschliche Gewebe durch die Strahlen um etwa ein Grad Celsius oder mehr erwärmt.

Das heißt also, Handys und alles andere sind ungefährlich?

Streffler: Ich sehe das für moderne Handys so, ja.

Ist Ihr Handy immer an?

Streffler: Nein. Das hat aber mehr mit meinem Wunsch zu tun, nicht immer erreichbar zu sein.

Haben Sie W-LAN, also drahtloses Internet, bei sich zu Hause?

Streffler: Natürlich. Seit etwa zehn Jahren.

Es gibt Menschen, die sagen, sie kriegen von W-LAN Kopfschmerzen.

Streffler: Bei allem Respekt, ich glaube, das ist Einbildung.