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Athen kommt nicht zur Ruhe

Athen kommt nicht zur Ruhe

Aus eigener Kraft können die Griechen kaum noch aus der Schuldenkrise kommen. Soweit herrscht Einigkeit. Ob aber Schuldenerlass, Zahlungsaufschub oder Umschuldung der richtige Weg ist, darüber wird noch heftig gestritten.

Brüssel. 

In Luxemburg haben die Finanzminister der Euro-Gruppe seit Sonntag über weitere Hilfen für Griechenland. Beim neuen Rettungspaket geht es um bis zu 120 Milliarden Euro. Und um den besten Weg aus der Krise. Unterdessen wird Athen weiter von Protesten erschüttert.

Aus Sicht von Experten kommt das hoch verschuldete Griechenland trotz aller Hilfen aus eigener Kraft nicht wieder auf die Beine. Daher müsste dem Staat die Hälfte der Schulden erlassen werden. Doch diesen Schritt scheuen Europas Politiker – aus Angst, den ganzen Euro-Währungsraum in die Krise zu stürzen.

Im Gespräch ist ein Zahlungsaufschub. Branchenbe­obachter Konrad Becker von der Privatbank Merck Finck kritisiert: „Wenn es nur ei­nen Zahlungsaufschub gibt, liegt das Risiko komplett bei den Steuerzahlern.“ Auch der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, hält das höchstens für eine Zwischenlösung. „Die Banken in Europa bekämen bei einem griechischen Schuldenschnitt keine großen Probleme“, betonte er. Auch für das deutsche Bankensystem sei es verkraftbar.

340 Milliarden Euro Schulden

Griechenland hat 340 Milliarden Euro Schulden – bei einer Jahres-Wirtschaftsleistung von zuletzt 230 Milliarden Euro. Die Wirtschaft schwächelt, auch wegen des Sparkurses der Regierung. Immer mehr Menschen verlieren ihren Job. Zsolt Darvas von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel erklärte Griechenland bereits im Februar für zahlungsunfähig.

Nach seinen Berechnungen müsste Griechenlands Wirtschaft bis 2034 jährlich um 8,4 Prozent wachsen, damit die Schuldenlast auf ein erträgliches Maß sinke. Kein Industrieland außer dem ölreichen Norwegen habe in den letzten 50 Jahren solche Wachstumsraten erreicht.

Darvas sieht nur eine Alternative zum drastischen Schuldenerlass: „Die europäischen Staaten könnten alle Schulden Griechenlands aufkaufen.“ Da er das aber für unwahrscheinlich hält, bleibe nur Umschuldung. „Die europäische Politik kann damit noch ein Jahr warten. In der Zwischenzeit müsste das europäische Bankensystem gestärkt werden, um es für den griechischen Schuldenerlass vorzubereiten.“

Kriselnde Banken teilverstaatlichen

Deutsche und europäische Banken sollten Griechenland keinen Zahlungsaufschub gewähren, sondern bei den fünf großen griechischen Geldinstituten einsteigen. Diese kriseln, da der Staat bei ihnen ein Drittel seiner Schulden gemacht habe. Auch die Europäer müssten den griechischen Banken Finanzspritzen geben, um sie bei einer Umschuldung vor dem Kollaps zu bewahren. Geld könne über die Europäische Investitionsbank oder den Nottopf für arme europäische Staaten fließen.

Wenn europäische Banken wegen eines griechischen Schuldenerlasses taumelten, so Branchenanalyst Becker, müssten die Staaten selbst bei diesen Instituten einsteigen, sie teilverstaatlichen. „Das wirtschaftliche Problem wird dadurch nicht kleiner, aber die Staaten erhalten Einflussmöglichkeiten auf die Banken – das halte ich in einer Krise für sinnvoller“, sagt Becker. Und der Staat könnte seine Anteile wieder verkaufen, wenn die Krise eingedämmt sei. „Dann könnte der Staat und damit der Steuerzahler mit plus/minus Null oder gar einem kleinen Gewinn aussteigen.“