Ulrich Lehner, der Präsident der Düsseldorfer IHK, fordert mehr Zusammenarbeit im Rheinland. Vorbild sei das Ruhrgebiet. „Die Diskussion über Kooperationen ist im Ruhrgebiet weiter entwickelt als im Rheinland“, sagt Lehner.
Düsseldorf.
Im Interview spricht Ulrich Lehner, der Präsident der Düsseldorfer Industrie- und Handelskammer (IHK), über den Standort Düsseldorf, die Energiewende und Alternativen zur Marktwirtschaft.
Lehner (65), der frühere Chef des Henkel-Konzerns („Persil“, „Pritt“, „Pattex“), gehört zu den wichtigsten Aufsichtsräten Deutschlands. Er ist Vorsitzender des Kontrollgremiums der Telekom und Aufsichtsratsmitglied bei Eon, Thyssen-Krupp und Porsche. Der gebürtige Düsseldorfer ist außerdem Honorarprofessor der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Als IHK-Präsident vertritt Lehner die Interessen von rund 80.000 Unternehmen in Düsseldorf und im Kreis Mettmann.
Thyssen-Krupp ist von Düsseldorf nach Essen umgezogen. Eon baut um und streicht Stellen. Degussa ist nicht mehr selbstständig, sondern gehört zu Evonik. Die WestLB befindet sich vor der Auflösung. Die IKB liefert ein Trauerspiel. Steckt der Konzernstandort Düsseldorf in einer Krise?
Lehner:
Man darf nie gelassen oder gar sorglos sein. Sich zurückzulehnen, wäre fatal. Es geht nicht darum, was wir gestern waren, sondern was wir morgen sein wollen. Wir müssen uns darum kümmern, dass Düsseldorf zukunftsfähig bleibt.
Leicht gesagt, aber was tun Sie konkret?
Lehner:
Die Kammer hat gemeinsam mit der Stadtspitze, Unternehmen und Verbänden einen Masterplan Industrie entwickelt, denn die Industrie ist mit den industrienahen Dienstleistungen einer der wichtigen Jobmotoren für die Stadt und ihr Umfeld. Außerdem engagieren wir uns für eine stärkere Zusammenarbeit der Region Rheinland. Die IHK-Bezirke Aachen, Bonn, Düsseldorf, Köln, Krefeld und Wuppertal sind als Ganzes stärker als die Summe der Einzelteile.
Auch im Ruhrgebiet läuft eine Diskussion über mehr Zusammenarbeit der Kommunen…
Lehner:
An dieser Stelle können wir durchaus vom Ruhrgebiet lernen. Gute Ideen kopieren wir gerne. Unser Eindruck ist: Die Diskussion über Kooperationen ist im Ruhrgebiet weiter entwickelt als im Rheinland. Es geht auch um Events wie das Kulturhauptstadtjahr oder den IT-Gipfel. Auch ein Zusammenschluss wie der Initiativkreis Ruhr ist Gold wert.
Ist es denn realistisch, dass Köln und Düsseldorf eng kooperieren?
Lehner:
Warum denn nicht? Zugegeben: Städte neigen dazu, autonom sein zu wollen. Aber die Vorteile von Zusammenarbeit liegen doch auf der Hand. Es geht dabei nicht nur um Köln und Düsseldorf. Das ganze Rheinland würde von einer stärkeren gemeinsamen Verkehrs-, Regional- oder Kulturplanung profitieren. Auch beim Marketing können wir uns noch verbessern.
Konkreter bitte.
Lehner:
Wir müssen unsere Attraktivität für ausländische Investoren stärker herausstellen. Auch der Wettbewerb um kluge Köpfe für die Unternehmen läuft. Um gute Mitarbeiter zu holen und zu halten, müssen wir dafür sorgen, dass man gerne im Rheinland lebt.
Was haben denn die Bürger von mehr Städte-Kooperationen?
Lehner:
Ein Beispiel: Die Stadt Düsseldorf wächst, in den nächsten Jahren schätzungsweise auf weit über 600.000 Einwohner. Wir müssen also die Frage beantworten, wo neue Wohnungen entstehen können, ohne die verbliebenen Grünflächen zu versiegeln. An dieser Stelle kommen die benachbarten Kommunen von Düsseldorf ins Spiel.
Denken Sie auch an eine stärkere Zusammenarbeit des Rheinlands mit dem Ruhrgebiet?
Lehner:
Eins nach dem anderen. Im Rheinland zu Ergebnissen zu kommen, ist schon schwer genug. Das wäre der erste Schritt. Aber natürlich ist klar, dass auch für die Rhein-Ruhr-Region Win-Win-Situationen denkbar sind.
Leidet die industriell geprägte Region Rhein-Ruhr besonders unter der Energiewende?
Lehner:
Steigende Energiepreise sind ein Wettbewerbsnachteil für energieintensive Industrien wie die Stahl-, Chemie- oder Alubranche. Wenn wir die Industrie in NRW halten und ausbauen wollen, müssen wir dafür sorgen, dass Energie zu akzeptablen Preisen verfügbar ist. Nur durch eine starke Wirtschaft schaffen wir die Grundlage für eine soziale Gesellschaft. Industriepolitik ist auch Sozialpolitik.
Durch die Krise in Europa hat das Vertrauen vieler Menschen in die soziale Marktwirtschaft gelitten. Können Sie das Unbehagen nachvollziehen?
Lehner:
Nein, denn wir haben noch nie in einem solchen Wohlstand gelebt wie heute. Der Lebensstandard in Deutschland ist höher als jemals zuvor. Was ist denn die Alternative zur Marktwirtschaft? Die DDR als alternatives System ist gescheitert. Da war nicht die Krise, sondern die Dauerkrise an der Tagesordnung. Richtig ist allerdings: Wir müssen darüber sprechen, wie wir das gute System, das wir haben, laufend verbessern. Dabei denke ich beispielsweise auch an die Regulierung der Finanzmärkte.