Veröffentlicht inWirtschaft

Libyen-Krise lässt Spritpreise steigen

Libyen-Krise lässt Spritpreise steigen

Die arabische Revolution hat gravierende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft: Rohöl wird teurer. Unternehmen erleiden Produktionsausfälle. Die Sorgen um die Konjunktur nehmen zu.

Essen. 

Die gewaltsamen Unruhen in Libyen versetzen die Wirtschaft in Nervosität. Denn erstmals seit Beginn der Revolten in der arabischen Welt eskaliert die Lage bei einem wichtigen Ölexporteur. Der Ölpreis schnellt in die Höhe. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der für Europa wichtigen Nordsee-Ölsorte Brent stieg zu Wochenbeginn auf mehr als 104 Dollar – das ist der höchste Preis seit zweieinhalb Jahren.

Auch die Verbraucher in Deutschland bekommen Auswirkungen der Krise zu spüren. Der Benzinpreis kratzt mittlerweile an der Marke von 1,50 Euro. Beim Tankstellen-Marktführer Aral kostete ein Liter Superbenzin gestern um 16.30 Uhr im bundesweiten Durchschnitt knapp 1,49 Euro. Am Tag zuvor lag der Preis noch im Schnitt bei knapp 1,47 Euro. Auch der Dieselpreis stieg um etwa zwei Cent auf durchschnittlich 1,38 Euro. Dies seien „keine Höchststände“, betonte Detlef Brandenburg, Sprecher des Ölkonzerns BP, zu dem auch Aral gehört. Klar sei aber: „Die Nervosität im Markt ist groß.“ Der Benzinpreis hänge von „der Entwicklung an den Rohölmärkten, dem Euro-Dollar-Wechselkurs und der weltweiten Nachfrage nach Benzin und Diesel“ ab.

Deutsche Unternehmen fliehen aus Libyen. „Die Lage vor Ort ist katastrophal. Sie hat sich von Stunde zu Stunde zugespitzt. Für die Mitarbeiter deutscher Unternehmen ist die Situation lebensgefährlich geworden“, berichtete Katrin Laskowski, die Koordinatorin des Deutsch-Libyschen Wirtschaftsforums. „Die Unternehmen vor Ort haben ihre Tätigkeit weitgehend eingestellt. Alle versuchen, das Land zu verlassen.“ Besonders im Blickpunkt steht die Ölindus­trie: Auch deutsche Förderunternehmen wie die BASF-Firma Wintershall und die RWE-Tochter Dea ziehen ihre Mitarbeiter aus der Krisenregion ab.

Wintershall wollte rund 100 Mitarbeiter und deren Angehörige ausfliegen lassen. Das Unternehmen betreibt acht Bohrfelder etwa 1000 Kilometer südlich der Hauptstadt Tripolis. Die Förderung soll nun „kontrolliert heruntergefahren“ werden. Libyen ist für Wintershall ein wichtiger Standort, das Unternehmen hatte dort pro Tag bis zu 100 000 Barrel Öl produziert.

Konzerne aus NRW in Libyen aktiv

Die RWE-Tochter Dea beschäftigt rund 100 Mitarbeiter in Libyen. Es gibt einige namhafte Unternehmen aus NRW und dem Ruhrgebiet, die in Libyen Geschäfte betreiben. Das Deutsch-Libysche Wirtschaftsforum verweist neben RWE auf Eon, Ferro­staal und Thyssen-Krupp. Auch der Technologie-Riese Siemens und der Baukonzern Bilfinger Berger sind in Libyen aktiv.

Insgesamt sind nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) knapp 40 deutsche Firmen in Libyen tätig. Sie kommen vor allem aus der Energiebranche, aber auch aus dem Bau-, Nahrungsmittel- oder Medizinbereich.

Libysches Öl gilt als sehr hochwertig, viel davon wird nach Europa exportiert und in deutschen Raffinerien verarbeitet. Libyen ist der fünftwichtigste Lieferant von Rohöl für Deutschland. Im vergangenen Jahr flossen 6,6 Millionen Tonnen Rohöl aus Libyen in die Bundesrepublik. Größter Lieferant war Russland mit über 35 Millionen Tonnen, gefolgt von Großbritannien, Norwegen und Kasachstan.

Durch den Rückzug der internationalen Ölfirmen aus Libyen wächst auch die Sorge vor Lieferengpässen. „Der Rohölpreis ist ein entscheidender Punkt bei der Benzinpreisbildung. Was die Libyen-Krise an der Zapfsäule bedeutet, lässt sich allerdings nicht sicher vorhersagen“, sagte Karin Retzlaff, die Sprecherin des deutschen Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV).

Libyen gilt als das afrikanische Land mit den größten Erdölreserven. Entsprechend groß ist das Interesse der deutschen Wirtschaft. Im April 2009 begab sich auch der damalige Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zum Klinkenputzen nach Tripolis.

Aktien auf Talfahrt

Die eskalierende Gewalt im Ölstaat schürt außerdem Spekulationen auf ein schwächeres Wachstum der Weltwirtschaft. „Die Ölpreise sind eine ernste Gefahr für die weltweitere Konjunkturerholung“, ur­teilt Fatih Birol, der Chefvolkswirt der Internationalen Energie-Agentur (IEA).

An den Börsen belasteten die steigenden Rohölpreise unter anderem die Aktien von Fluggesellschaften wie Lufthansa und Co. Auch die Ak­tien von Ölkonzernen wurden häufiger verkauft. Zwischenzeitlich schickte die Libyen-Krise auch den Deutschen Aktienindex (Dax) insgesamt auf Talfahrt. Investoren griffen verstärkt bei Gold und Bundesanleihen zu, die als sichere Anlagen gelten.