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Lohndumping in der Kirche steht in der Kritik

Lohndumping in der Kirche steht in der Kritik

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Der katholische Betriebsseelsorger Erwin Helmer hat bei Amazon geholfen, einen Betriebsrat zu gründen. Doch er kämpft auch im eigenen Haus für bessere Löhne – auch kirchliche Arbeitsgeber zahlen Niedriglöhne. Jetzt hat Helmer den Heiligen St. Prekarius erfunden.

Berlin. 

Katholische Geistliche beklagen gern die soziale Ungerechtigkeit in diesem Land, manche vergessen dabei aber, dass auch kirchliche Arbeitgeber Niedriglöhne zahlen. Der Augsburger Betriebsseelsorger Erwin Helmer (60) nicht. Er kämpfte bei Amazon wie in der eigenen Kirche gegen Leiharbeit und prekäre Beschäftigung. Mit ihm sprach Hannes Koch.

Sie sind wahrscheinlich der einzige Betriebsseelsorger, der selbst ei­nen Heiligen erfunden hat – St. Prekarius. Wen beschützt er?

Erwin Helmer: Das ist ein virtueller Heiliger beider Geschlechter – St. Prekarius und St. Prekaria. Das Standbild habe ich in Zusammenarbeit mit der Christlichen Arbeiter-Jugend Bayern schnitzen lassen. Die Figur hat leere Hosentaschen, trägt Jeans und einen Besen. Dieser Heilige dient als Symbol für prekäre Beschäftigung – Leihar­beit, Niedriglohnjobs, Werkverträge. Er begleitete uns bereits bei Aktionen vor dem Arbeitsgericht, bei Betriebsversammlungen, Straßenaktionen und in Gottesdiensten. Denn immer mehr Menschen ar­beiten in solchen Verhältnissen.

Was ist das Problematische an diesen Jobs?

Leiharbeiter oder Leute mit Werkverträgen sagen, dass sie sich wie Menschen zweiter Klasse fühlen. Sie haben oft eine schlechtere Bezahlung, weniger Absicherung und mindere Rechte. Nach einer längeren Krankheit erhalten diese Ar­beitnehmer beispielsweise keine Hilfen, damit sie wieder gut in ih­ren Job reinkommen. Sie sind auch von der normalen Mitbestimmung weitgehend ausgeschlossen, auch weil sie kein Geld für den Gewerkschaftsbeitrag übrig haben.

Wie helfen Sie solchen Beschäftigten?

Wir unterstützen die Gründung von Betriebsräten. Beim Versandhändler Amazon ist das gelungen, in Zusammenarbeit mit Verdi. Wenn ein Unternehmen den Tarifvertrag nicht anerkennt, versuchen wir, mit ihm zu reden. Dann lassen wir uns auch bei Warnstreiks sehen – im Einklang mit der katholischen Soziallehre. Die sagt ganz eindeutig, dass Arbeitnehmer ein Recht auf den Schutz durch Tarifverträge haben.

Als die ARD unlängst über Amazon berichtete, waren Sie groß im Bild. Ist Amazon eine Ausnahme?

Zusammen mit meinen Vorstandskollegen der Katholischen Arbeitnehmerbewegung in Augsburg habe ich danach einen offenen Brief an Arbeitsministerin Ur­sula von der Leyen geschrieben. Darin bezeichnen wir die Situation bei Amazon als Spitze des Eisbergs. Denn die Tarifbindung in der deutschen Wirtschaft nimmt ab. Mittlerweile arbeiten nur noch gut 60 Prozent der Arbeitnehmer auf Basis tariflicher Regelungen.

Bisher haben wir über private Unternehmen gesprochen. Allerdings gibt es ähnliche Zustände auch in kirchlichen Betrieben.

Das stimmt. In der Vergangenheit erlebten wir hautnah die Tendenz, Arbeitnehmer kirchlicher Einrichtungen in unabhängige Servicegesellschaften auszulagern und dadurch die Tarifregelungen zu unterlaufen. Die katholischen Bischöfe haben mittlerweile erklärt, dass sie dies nicht gutheißen. Trotzdem gibt es noch kirchliche geprägte Subunternehmen, die Tarifdumping praktizieren. Aber es werden weniger.

Beispielsweise beim katholischen Malteser Hilfsdienst soll es vorkommen, dass Teilzeitkräfte und Fahrer mitunter nur fünf, sechs oder 7,50 Euro pro Stunde erhalten. Treibt auch Ihre Kirche Arbeitnehmer in die Armut?

Alle kirchlichen Einrichtungen müssen sich an die vereinbarten Tarifregeln halten. Wo es Grauzonen gibt, versuchen wir unseren Einfluss mit Gesprächen, Briefen und Öffentlichkeitsarbeit geltend zu machen.

Das kirchliche Arbeitsrecht des Dritten Weges verbietet Streiks. Wäre es nicht an der Zeit, diesen alten Zopf abzuschneiden?

Die Frage stellt sich vor allem bei kirchlichen Einrichtungen, die staatliche Zuschüsse erhalten, also teilweise in öffentlichem Auftrag handeln. In solchen Fällen wird der Druck wachsen, dass die Beschäftigten die gleichen Rechte bekommen wie das Personal normaler Unternehmen. Wobei die Ar­beitsbedingungen in vielen kirchlichen Einrichtungen besser sind als bei freien Trägern.