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Die Gesundheit jedes Einzelnen ist gleich viel wert in einem Solidarsystem wie der gesetzlichen Krankenversicherung. Theoretisch zumindest. In der Praxis ist es so: Ein Kassenpatient ist für seinen Hausarzt am Nordrhein derzeit exakt 38,17 Euro wert, in Bayern aber 45,47 Euro.
Wie in der Politik streiten auch bei den Ärzten die Länder verbissen um jeden Cent. Diesmal sind die Ärzte in NRW die Verlierer des deutschen Föderalismus. Seit der Honorarreform 2009 können sie nachlesen, wo sie stehen: Ganz unten. Westfalen-Lippe liegt bei den Quartalspauschalen, die ein Arzt pro Patient in drei Monaten bekommt, auf dem letzten Platz, Nordrhein auf dem drittletzten.
Das sollte sich nun ändern. Die Bundesregierung trug der Kassenärztlichen Bundesvereinigung auf, die Unterschiede auszugleichen. Heraus kam ein Kompromiss, der die Ärzte an Rhein und Ruhr erst so richtig sauer macht: In den Jahren 2013 bis 2015 sollen sie etwas mehr Geld erhalten. Danach ist Schluss mit der Angleichung. Konkret fließen 0,5 Prozent der Honorarzuwächse in einen Fonds. Westfalen-Lippe rechnet mit jährlich 33 Millionen Euro aus dem Fonds, das wäre eine Erhöhung um 1,3 Prozent. Nordrhein erhält rund 30 Millionen, hier sind das weniger als ein Prozent. Bei einer Quartalspauschale von 38 Euro liegt das im Cent-Bereich.
Die Praxisnetze in NRW übersetzen das so: „Die Versorgungspauschale der NRW-Bürger wird dauerhaft auf niedrigstem Niveau festzementiert.“ In Briefen an Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) und die Landtagsabgeordneten in NRW rufen sie um Hilfe. „Warum ist ein Diabetiker in NRW weniger wert als in allen anderen Bundesländern?“, fragt Arne Meinshausen, Geschäftsführer der ärztlichen Qualitätsgemeinschaft Witten.
In den Praxen herrscht auch Enttäuschung über die eigene Standesvertretung. Die Kassenärztlichen Vereinigungen Westfalen-Lippe und Nordrhein zeigen Verständnis für die Wut, erklären aber unisono, mehr sei nicht drin gewesen. Bayern und Baden-Württemberg hätten sich – mal wieder – quer gestellt. „Wir hatten die Wahl: Gar nichts oder dieser Kompromiss, der auch für uns enttäuschend ist“, sagt Bernd Brautmeier, Vorstand der KV Nordrhein. „Die Versorgung ist in Westfalen-Lippe niedriger als irgendwo anders. Das konnten wir etwas abmildern, mehr leider nicht“, sagt Wolfgang-Axel Dryden, Chef der KV Westfalen-Lippe.
Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) befürchtet, dass junge Ärzte aus NRW gen Süden abwandern. „Die Ungerechtigkeit in der Bezahlung ist nicht akzeptabel, deshalb fordere ich den neuen Gesundheitsminister Daniel Bahr auf, den Grundsatz ,gleiches Geld für gleiche Leistung’ endlich bundesweit umzusetzen“, sagte sie der WAZ. Da Bahr aus NRW komme, sei ihm die Schieflage bei den Arzthonoraren „bestens bekannt“.