Wie die Mitarbeiter beim Apple-Zulieferer schuften
13 Arbeiter beim chinesischen Apple-Zulieferer Foxconn begingen im vergangenen Jahr Selbstmord. Der Konzern hatte bessere Arbeitsbedingungen versprochen – doch noch immer schieben die Mitarbeiter viele Überstunden.
Shenzhen.
Der Manager gibt Fehler zu. „Früher waren wir kein sehr offenes Unternehmen,“ sagt Louis Woo. „Aber jetzt hören wir unseren Beschäftigten besser zu, was sie vom Leben erwarten.“ Der das sagt, sitzt an der Spitze eines der größten und umstrittensten Industriekonzerne der Welt. Woo ist Manager bei Foxconn in China, wo der US-Konzern Apple einen großen Teil seiner Mobiltelefone und Computer herstellen lässt.
Vor einem Jahr stürzten sich 13 Foxconn-Arbeiter in Shenzhen in den Tod. Sie sprangen von den höheren Fabrikgebäuden in die Tiefe – wohl auch aus Verzweiflung über ihre Arbeitsbedingungen. Im Werk Chengdu starben drei Mitarbeiter bei einer Explosion. In Europa begannen sich die Konsumenten zu fragen, ob man die Kult-Produkte aus dem Hause Apple überhaupt noch kaufen sollte.
Louis Woo ist ein vornehmer Herr von 63 Jahren. Er hat an einer guten Uni in den USA studiert und kennt die Welt von unzähligen Reisen. Er sitzt so weit oben, dass er auf Statussymbole und entsprechendes Verhalten weitgehend verzichtet. Zum Interview trägt er kein Jackett, sondern elegante Hosenträger. Persönlich holt er den Besucher am Wagen ab und führt ihn in ein kärglich eingerichtetes Büro. Dieses liegt in einem einstöckigen Gebäude am Eingang der Fabrik, in der 2010 die Selbstmorde passierten.
Psychologen stehen rund um die Uhr zur Verfügung
Shenzhen ist eine Millionenstadt wenige Kilometer nördlich von Hongkong. Auf dem einige Quadratkilometer großen Foxconn-Gelände arbeiten 400 000 Menschen. Die Hauptstraße, die vom Werkstor zu den Fabriken führt, ist von Palmen und Blumenrabatten gesäumt. Es gibt Kinos, Bibliotheken, Schwimmbäder, Läden und Banken.
Das neue „Care Center“ bildet einen wichtigen Teil des Besuchsprogramms. Seit vergangenem Jahr stehen Psychologen rund um die Uhr zur Verfügung, wenn Beschäftigte private oder berufliche Sorgen haben. Als Reaktion auf die Selbstmorde hat die Firma außerdem den Lohn nahezu verdoppelt. Zu dem freundlichen Eindruck, den das Unternehmen erwecken will, passen freilich nicht die Auffangnetze, die an den Fassaden aller höheren Gebäude installiert sind. Sie sollen weitere Selbstmorde verhindern.
Foxconn ist ein Konzern auf dem Weg in die Moderne. Aber dort angekommen ist er noch nicht. So räumt Woo ein, dass man den Arbeitern viel mehr Überstunden abverlange, als die chinesischen Gesetze gestatten. „Es ist wahr, dass das Arbeitsgesetz nur 36 Überstunden pro Monat erlaubt“, sagt Woo, „wir übernehmen aber eine Führungrolle in unserer Branche, um dieses Ziel zu erreichen.“ Von diesem permanenten Gesetzesverstoß dürfte auch Apple wissen, geändert hat sich bislang wenig. Auch wenn sich ein Apple-Sprecher gegenüber dieser Zeitung nicht äußern wollte, liegt der Grund auf der Hand. Die Nachfrage nach dem Mobiltelefon iPhone und dem Tablet-PC iPad ist so hoch, dass Foxconn mit der Produktion kaum nachkommt und deshalb länger arbeiten lässt.
Zwölf Stunden pro Tag in der Fabrik
Wie ein Arbeitstag aussieht, berichtet die Arbeiterin Zhao Ai (Name geändert), die im neuen Werk von Foxconn in Chengdu, 1500 Kilometer nördlich von Hongkong, die iPad-Gehäuse auf Produktionsfehler überprüft. An sechs Arbeitstagen von Montag bis Samstag ist sie jeweils zwölf Stunden in der Fabrik. Zwei Stunden Pause täglich werden nicht bezahlt. Zwei weitere Stunden gelten als Überstunden, ebenso der Samstag. „Pro Woche leiste ich 20 Überstunden, monatlich 80,“ so Zhao.
In Chengdu beschweren sich viele Arbeiterinnen über die engen, dreckigen Kantinen und das schlechte Essen. „Nach der 12-Stunden-Schicht bin ich sehr müde“, sagt Zhao Ai. Eine Alternative zur langen Arbeitszeit gibt es für sie jedoch nicht. Einerseits verlangt die Firma, dass die Beschäftigten so viel arbeiten wie möglich, andererseits ist der Basislohn so dürftig, dass man damit gerade über die Runden kommt. Zhao verdient 2000 Renmimbi monatlich (210 Euro) – auf den Überstundenlohn kann sie deshalb nicht verzichten.
Abends geht es dann mit Bussen zum einige Kilometer entfernten Wohnheim. Ein Hochhaus, 15 Stockwerke, zwischen Baustellen. Zhaos Familie lebt ein paar hundert Kilometer von der Fabrik entfernt und träumt davon, irgendwann einmal ein eigenes Textilgeschäft zu eröffnen.