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Zinswetten – Deutsche Bank muss für Schaden zahlen

Zinswetten – Deutsche Bank muss für Schaden zahlen

Wegweisendes Urteil gegen die Deutsche Bank: Das Institut muss wegen hochspekulativer Zinswetten Schadenersatz zahlen. Das entschied der Bundesgerichtshof.

Karlsruhe. 

Die Deutsche Bank muss mehr als eine halbe Million Euro Schadenersatz für spekulative Zinswetten zahlen. Das Finanzinstitut habe seinen Kunden über die hohen Risiken der Anlage, einen sogenannten Spread Ladder Swap, nicht genügend aufgeklärt, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Dienstag verkündeten Urteil.

Die Bank muss nun 541.000 Euro Schadenersatz zuzüglich Zinsen zahlen.

Der BGH entschied damit zugunsten des hessischen Hygienetechnik-Unternehmens Ille, das mit den Swaps mehr als eine halbe Million Euro verloren hatte.

Das Urteil dürfte im Streit um derartige Geschäfte Bedeutung für zahlreiche weitere Klagen von Mittelständlern und Kommunen gegen die Deutsche Bank und andere Institute haben. Es ist das erste höchstrichterliche Urteil in einer Serie von Klagen um derartige Geschäfte. Andere Banken hatten ähnliche Produkte verkauft. Sie und ihre Kunden hatten mit Spannung auf den Karlsruher Spruch gewartet. (Az.: XI ZR 33/10)

Zinslasten sollten sinken, Hoffnung erfüllte sich nicht

Die Deutsche Bank erklärte, sie erwarte keine Klageflut nach dem Urteil. In den Vorinstanzen hatte sie – wie im vorliegenden Fall – die meisten Verfahren für sich entschieden. Viele Urteile seien bereits rechtskräftig oder die Verfahren wie im Fall der Stadt Hagen durch Vergleich erledigt, sagte ihr Anwalt Christian Duve in Karlsruhe. Die Bank habe ausreichend Risikovorsorge für die „überschaubare“ Zahl und den Streitwert noch anhängiger Verfahren gebildet.

Der Anwalt des erfolgreichen Klägers, Jochen Weck, sagte dagegen, auf die Banken könnten Milliardenforderungen zukommen. Die Deutsche Bank allein hatte die Zinsswaps an Hunderte Stadtkämmerer und Unternehmer verkauft.

Auch Städte im Ruhrgebiet hatten sich auf die „Wette“ eingelassen. Dortmund zog die Notbremse, als die Verluste sechs Millionen Euro überschritten hatten, sonst hätte das Desaster noch deutlich schlimmer ausfallen können. Man schloss einen Vergleich mit der Bank um die Verluste zu begrenzen. Damit sei das Thema ad acta, so ein Sprecher der Stadt. Mülheim verlor ebenfalls sechs Millionen Euro, allerdings laufen einige Verträge noch, so dass nicht absehbar ist, wie groß die rote Zahl am Ende sein wird. Die Stadt Neuss klagt bereits. Allerdings wollte man sich nicht zu den Aussichten nach dem BGH-Urteil äußern. In der Stadt am Rhein waren die Verluste teilweise auf 14 Millionen Euro angewachsen. Abgerechnet wird freilich erst 2013, wenn die Laufzeit der Verträge endet. Ähnlich schlimm traf es Remscheid mit einem Verlust von fast 19 Millionen Euro. Das Swap-Geschäft kann aber auch funktionieren. Gelsenkirchen machte einen kleinen Gewinn von 52.000 Euro. Nach Angaben des Bundes der Steuerzahler hat so gut wie jede Stadt in NRW mindestens ein Swap-Geschäft abgeschlossen.

Was Swap-Geschäfte bedeuten

Den Gemeinden und Firmen ging es mit dem Abschluss der komplizierten Swap-Verträge (“Tausch“-Verträge) darum, ihre Zinslasten zu senken. Bei diesen Anlageprodukten wurde letztlich darauf gewettet, wie sich kurz- und langfristige Zinsen entwickeln. Doch die Prognose, dass die Langfristzinsen deutlicher anwachsen würden und somit die Spreizung zunehmen würde, erfüllte sich nicht – stattdessen stiegen die Kurzfristzinsen. Die Folge: Verluste für die Anleger.

Im vorliegenden Fall verlangte die Ille Papier-Service GmbH aus Altenstadt bei Frankfurt einen „Verlustausgleich“ nach einem auf Empfehlung der Bank abgeschlossenen Spread Ladder Swap-Vertrag. Das Geschäft sei unwirksam, weil die Deutsche Bank falsch beraten, über die Gewinnchancen arglistig getäuscht und nicht ausreichend über die Risiken der Anlage aufgeklärt habe. Wegen der Unausgewogenheit der Chancen und Risiken verstoße der Vertrag gegen die guten Sitten, so die Firma.

BGH-Richter tadelt die Deutsche Bank

Das Geschäft war der Papierfirma in zwei Beratungsgesprächen am 7. Januar und 15. Februar 2005 von der Deutschen Bank empfohlen worden. Die Prognose lautete, dass sich die Differenz (“Spread“) zwischen dem Zwei-Jahres-Zinssatz und dem Zehn-Jahres-Zinssatz künftig voraussichtlich deutlich ausweiten werde. Der Vertrag erwies sich für die Firma jedoch als Verlustgeschäft, weil ab Herbst 2005 die für die Berechnung ihrer Zinszahlungspflicht relevante Zinsdifferenz fortlaufend abnahm. In beiden Vorinstanzen hatte die Firma verloren.

Der Vorsitzende Richter Ulrich Wiechers ging mit der Bank hart ins Gericht. „Der Vergleich mit einer Wette ist eine Verharmlosung des Risikos. Hier ist das Risiko unbegrenzt und kann bis zum finanziellen Ruin des Kunden gehen“, sagte er in Karlsruhe. Die Deutsche Bank habe die Swaps „bewusst zu Lasten des Anlegers“ konstruiert und ihre Schäfchen vorher ins Trockene gebracht.

Bank sicherte sich Risiko ab

Ille musste erst einen „negativen Marktwert“ von 80.000 Euro aufholen, mit dem die Bank ihre Kosten abdeckte, das Risiko absicherte – und ihren Gewinn vorab abschöpfte. Weil die Bank dem Unternehmen das nicht ausdrücklich gesagt hatte, habe Ille nicht auf Augenhöhe mit ihr verhandeln können, sagte Wiechers. Damit habe sie einen Interessenkonflikt in Kauf genommen, der dem Anleger nicht klar gewesen sei. Allerdings zahlen Anleger bei vielen bei Finanzprodukten – etwa Lebensversicherungen – zunächst für den Gewinn der Bank oder die Provision des Vermittlers.

Das Urteil führt unterdessen auch zu politischen Diskussionen: Die Linkspartei fordert drastische politische Konsequenzen. „Zinswetten sind systematischer Betrug. Der Bankkunde ist immer der Dumme. Wir brauchen ein generelles Verbot von Zinswetten“, sagte Parteichef Klaus Ernst dem Online-Portal DerWesten.

Hochrisikospekulationen seien „finanzielle Massenvernichtungswaffen“, so Ernst. „Sie waren Auslöser der Finanzkrise.“ Aus Sicht der Linkspartei war die Zulassung und Förderung durch Schwarz-Rot und Rot-Grün ein Fehler. „Wir müssen das rückgängig machen. Wir sollten außerdem wie in der Schweiz gesetzliche Höchstzinsen für Kredite einführen. Das dämmt die Spekulation ein.“ (afp/rtr/dapd/diha)