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Bewohner schulden Revierstädten mehr als 600 Millionen Euro

Bewohner schulden Revierstädten mehr als 600 Millionen Euro

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Foto: Stefan Reinke
Bußgelder, Steuern, Gebühren: Manche können nicht zahlen, manche wollen nicht. Revierstädte müssen noch mehr als 600 Millionen Euro eintreiben.

Ruhrgebiet. 

„Vergessen“ gilt nicht, und „verlegt“ wird auch nicht akzeptiert. Wenn es um die Rechnung geht, dann packten manche Leute „die Mahnungen auf den großen Haufen und kümmern sich nicht darum“, sagt Michael Zolnowsky, der leitende Vollstrecker in der Stadtverwaltung Bochum. So ist seine Kundschaft: Manche Menschen können nicht zahlen, manche Menschen wollen aber auch einfach nicht zahlen. Erst kommt die Mahnung, dann die Vollstreckung – im Angebot sind Gehalts- und Kontenpfändung, Sparbücher-, Lebensversicherung- und Bausparkassenpfändung . . .

Erzwingungshaft! Denn der Weihnachtsfriede ist vorbei, die Zeit, in der die Vollziehungsbeamten der Städte nicht anriefen, keine Mahnungen verschickten und auch nicht brenzligerweise vor der Tür standen. Jetzt sind sie wieder unterwegs: Denn für viele Bürger ist die ruhende Rechnung ein Kavaliersdelikt, doch für die Ruhrgebietsstädte ist sie ein millionenschweres Problem. Weil der eine das Bußgeld nicht überweist und die zweite die Grundbesitzabgabe schuldig bleibt, fehlt in den Stadtkassen des Reviers zusammen mehr als 600 Millionen Euro.

Gewerbesteuer macht den größten Batzen aus

Das ergab ein Abgleich dieser Zeitung mit den größeren Revierstädten. Mehr als eine halbe Milliarde Euro ist einerseits eine gewaltige Summe, mit der man die ganze Autobahn 40 sechsspurig ausbauen könnte oder 16 bis 18 Konzerthäuser bauen; andererseits ist es eine sehr relative gewaltige Summe: Der Haushalt der Stadt Dortmund allein ist mit 2,1 Milliarden Euro viermal so groß.

Dabei gibt es nichts, was nicht nicht bezahlt wird: Gewerbesteuer oder Hundesteuer, Friedhofsgebühren und Kita-Verpflegungsbeitrag, Knöllchen und Krankentransporte, Abwassergebühren und Anliegerumlagen, Musikschul- und VHS-Kurse, Vergnügungssteuer, Bettensteuer, Unterhalt (für den dann das Sozialamt einspringt). Tatsächlich macht die Gewerbesteuer den größten Batzen aus, und wenn ein mittleres Unternehmen auf einen Schlag nachzahlt, kann sich eine einzelne Zahl gleich um Millionen verändern. Und so sind die Zahlen zu den Städten zwar der Stand vom 31. Dezember 2014, enthalten aber nicht solche Einzahlungen, die auf den aller-, aller-, allerletzten Drücker eingingen.

161.665 Mahnungen allein in Essen

Doch zurück zum Thema im engeren Sinne: 161.665 Mahnungen hat eine Stadt wie Essen allein 2014 verschickt, knapp die Hälfte der Schuldner zahlte daraufhin; blieben 84.000 Pfändungsaufträge. 20 Außendienstler pfänden Geld und Güter, dabei ist die Sachpfändung selten, schon weil etwa Fernseher nicht gepfändet werden dürfen – und wo sollte der ganze Kram auch gelagert werden?

Autos dagegen werden gepfändet, aber nicht, um sie zu Geld zu machen, „sondern um die Zahlungsbereitschaft zu erhöhen“. Sagt Beate Behnke-Hahne, die für das Essener Forderungsmanagement zuständig ist – man kann auch einfach sagen: Sie treibt die Schulden ein. Nur wenn sich jemand nicht meldet, landet sein Auto in der Versteigerung. Doch besagt die allgemeine Lebenserfahrung: Ist erst mal eine Kralle am Auto befestigt, „ist die Reaktionsgeschwindigkeit der Halter sehr hoch“, so Behnke-Hahne.

Eins ist dabei aber auch klar: Beliebt macht man sich so nicht. Die sich das Geld krallen. Der Bochumer Vollstrecker Michael Zolnowsky sagt: „Einen Dankbrief hat uns noch keiner geschrieben.“ (mit röm)