Die Reaktionen auf das Gutachten, das die Abstände zwischen Grillo-Werk und geplantem Outlet-Center kritisiert, sind unterschiedlich. Während die Politik Unternehmer Grillo in der Pflicht sieht, verweist dieser auf den Bestandsschutz. Womöglich sind auch andere Bauprojekte in Duisburg betroffen.
Duisburg.
Ein für die Genehmigung erforderliches Gutachten stellt die Pläne für das Factory-Outlet-Center in Hamborn in Frage. Der Abstand der geplanten Gebäude zu den benachbarten Grillo-Werken ist zu gering: 826 Meter legt die Kommission für Anlagensicherheit bei der Verarbeitung von Schwefeldioxid zugrunde, 300 sind es nur.
Die Reaktionen sind denkbar unterschiedlich: Der CDU-Fraktionsvorsitzende Rainer Enzweiler, einer der größten Befürworter des FOC, sieht Grillo nun in der Pflicht. Ulrich Grillo dagegen verweist gelassen auf den Bestandsschutz für sein Werk.
„Leib und Leben geht vor Bestandsschutz“
„Die Frage berührt ja nicht nur das FOC, sondern die Frage nach Leib und Leben der Anwohner“, poltert Enzweiler. Es sei doch reiner Zufall, dass die Problematik nun im Zusammenhang mit dem FOC aufgekommen sei. Es gelte, auch die Anwohner zu schützen, so Enzweiler. „Leib und Leben geht vor Bestandsschutz“, argumentiert der Rechtsanwalt. Die Bezirksregierung müsse nun unverzüglich handeln. Eine Lösung könne eine zusätzliche Einhausung des Gefahrgutlagers sein, das dann mit einer Luft-Wasch-Anlage versehen werde.
Die Bundesregierung hat die Vorsorge vor Störfällen in der Industrie in den vergangenen Jahren verstärkt, um mögliche Auswirkungen von Industrieunfällen auf die Umwelt weiter zu begrenzen. Zur Umsetzung der „Seveso-II-Änderungsrichtlinie“ wurden das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die Störfall-Verordnung 2005 neu verfasst und zuletzt 2010 geändert. Die Abstände empfiehlt die Kommission für Anlagensicherheit, der entsprechende Leitfaden stammt aus dem Jahr 2010. Der Abstand von 826 Metern von Neubauvorhaben zu Betrieben, die Schwefeldioxid verarbeiten, ist aber bereits in dem Leitfaden von 2005 genannt. Er gilt ausdrücklich für Gebiete mit einem dauerhaften Aufenthalt für Menschen, also für Wohngebiete, aber auch für Schulen, Sporthallen, Kitas, Kliniken, Altenheime, Einkaufszentren, Hotels und Parks.
Von der Gefährdung von Leib und Leben kann nach Ansicht von Ulrich Grillo, Vorstandsvorsitzender der Grillo-Werke, keine Rede sein. „Abgesehen von einem kleinen Störfall vor vier Jahren, den ein unachtsamer Kunde verursacht hat, ist hier in 160 Jahren nichts passiert.“ Selbstverständlich gelte für die Grillo-Werke Bestandsschutz.
„Unternehmen hält alle Sicherheitsvorschriften ein“
„Unser Unternehmen hat die entsprechenden Betriebsgenehmigungen, hält alle Sicherheitsvorschriften ein und wird laufend von der Bezirksregierung kontrolliert“, betont Grillo. Man tue viel für den Stadtteil. „Aber das geht natürlich nur so weit, wie unser wirtschaftliches Interesse nicht berührt wird“, stellt er klar. Niemand könne im Ernst erwarten, dass das Firmengelände verlagert oder der Standort aufgegeben werde. Und eine Einhausung des Schwefeldioxid-Lagers sei keine Lösung. „Schließlich muss das Material ja auch transportiert werden.“
Stadt konnte Fragen der Redaktion nicht beantworten
Heute würde wohl niemand mehr Wohnungen gleich neben das Werk bauen, gibt der Vorstandsvorsitzende zu. „Aber vor 50 oder 100 Jahren hat man vieles noch anders gesehen.“ Die verschärften Abstandswerte würden nun einmal nur für Neubauten gelten. „Unter diesen Umständen wird das FOC wohl nur schwierig zu realisieren sein“, bedauert der Grillo-Chef.
Fraglich bleibt, was die Abstandsregeln für jüngere Neubauten in dem Radius wie Discounter oder Schulerweiterungen bedeuten. Oder auch für aktuelle: So hat die Stadt jüngst neben dem Rhein-Ruhr-Bad mit dem Bau einer Vierfachsporthalle begonnen, in der auch andere Veranstaltungen mit bis zu 800 Besuchern möglich sein sollen. Abstände zum Grillo-Werk waren dabei kein Thema. Die Stadt als Herrin sämtlicher Planungsverfahren konnte die Fragen der NRZ dazu gestern nicht beantworten.