Die Gladbecker wollen keinen Tunnel. Zementiert ihre Absage das dauerhafte Nein zum Autobahn-Bau durch Essens Norden? In Altenessen jedenfalls feierten die A52-Gegner die Gladbecker Entscheidung wie einen Sieg in eigener Sache.
Essen.
Im Helenenpark haben die Gegner des A52-Weiterbaus am Samstag einen Baum gepflanzt. Das dürre Eichen-Stämmchen, es sollte ein Zeichen des Protests sein gegen die „Schneise der Zerstörung“, die man von einem Weiterbau der Autobahn A52 durch den Essener Norden befürchtet. Und wenn’s nach ihnen geht, soll der Baum 100 Jahre alt werden, mindestens.
Tags darauf, am frühen Sonntagabend reichte ein kurzer Blick auf die Internetseite der Stadt Gladbeck, um zu der Erkenntnis zu kommen: Ganz so absurd ist der Gedanke an eine stolze 100-jährige Eiche im Helenenpark gar nicht. Denn mit einer deutlichen Mehrheit von 12.991 zu 10.255 Stimmen haben sich die Bürger der Nachbarstadt in einem so genannten Ratsbürgerentscheid dagegen ausgesprochen, dass ihre Stadt einen rund 1,5 Kilometer langen Tunnel mit etwa zwei Millionen Euro mitfinanziert und so die Autobahn 52 näher an die Stadt Essen heranbringt.
„Papier ist geduldig“
Die Gladbecker haben mit diesem ersten Ratsbürgerentscheid nicht nur „Kommunalgeschichte geschrieben“, wie ihr Bürgermeister Ulrich Roland stolz vermeldete, sie haben ihrem Stadtoberhaupt auch eine schallende Ohrfeige verpasst, denn Roland warb ausdrücklich, die Chance zum Tunnel wahrzunehmen und mit „Ja“ zu votieren.
Ein „Nein“ beim Ratsbürgerentscheid bedeute den Planungsstopp für den Ausbau der B 224, und genau das war es, was auch die Essener Gegner der durchgestreckten Autobahn stets wollten. Noch auf der Zielgeraden zum Entscheid beknieten etwa die Essener Grünen die Nachbarn in Gladbeck, die Freude über den Tunnel zu überdenken: Sie erinnerten an das erst kürzlich geplatzte Tunnelversprechen in Essen und warnten mit einer grünen „Moral von der Geschicht’: Papier ist geduldig.“ In Gladbeck sei das Tunnelversprechen – der Türöffner für den Autobahnbau – letztlich unverbindlich. Ob man damit manchen Unentschiedenen noch gegen das gigantische Projekts einnahm?
Oder ob mit einem Tunnelbau in Gladbeck der Weiterbau der A52 wahrscheinlicher geworden wäre? Viele in der Politik halten die Durchstreckung eh für eine Fata Morgana. Sicher aber scheint: Mit dem Verzicht auf den Tunnelbau in Gladbeck wird es den massiv erhöhten (Verkehrs-)Druck auf Essen nicht geben. Stattdessen wollen etwa die Grünen mit einem neuen Vorschlag die A52-Debatte alter Prägung ein für allemal vom Tisch fegen. Dazu unterbreitet die Partei in der Ratssitzung am kommenden Mittwoch den Vorschlag, den Verkehr über ein neues Autobahndreieck etwa in Höhe des Stadthafens an das Essener Straßennetz anzubinden. Hier könnten die Fahrzeuge weg von der Gladbecker auf leistungsfähige innerstädtische Hauptverkehrslinien wie die Bottroper Straße und den Berthold-Beitz-Boulevard geleitet werden, dessen letztes Teilstück in einigen Jahren an der Hans-Böckler-Straße endet.
„Diese Straßen weisen eine deutlich geringere Zahl an direkten Anwohnerinnen und Anwohner auf und verfügen bereits heute über einen hohen Ausbaustandard“, argumentiert der grüne Ratsherr Christoph Kerscht. Und Rolf Fliß ergänzt: „Die jahrzehntelange Fixierung der Essener Stadt- und Verkehrsplanung auf die Verwirklichung einer A 52 / A 44-Transitautobahn durch Essen muss endlich aufgegeben werden. Ein Festhalten an der A 52“, so der Bürgermeister, „hemmt massiv die Entwicklung im Essener Norden. Viele Brachen warten hier darauf, endlich wach geküsst zu werden“.
Brachen wachküssen
Ob die Grünen mit ihren weitgehenden Plänen einer Verlagerung des Nord-Süd-Verkehrs weiter in Richtung Westen Anklang bei den anderen Parteien finden, ist offen. Die alte Phalanx des Viererbündnisses dürfte jedenfalls keine Unterstützung bieten, schließlich streiten CDU wie auch FDP entschieden für den A52-Weiterbau. Es ist aber auch offen, ob die Grünen ihren Antrag selber noch aufrechterhalten wollen, wenn mit dem abgesagten Tunnel der Ausbau der A52 jenseits der Stadtgrenzen stockt und durch die versagten Planungsgelder bald gänzlich von der bundespolitischen Agenda verschwindet.
In Altenessen jedenfalls feierten die A52-Gegner die Gladbecker Entscheidung wie einen Sieg in eigener Sache. Sie wollen die Eiche in den nächsten eher trockenen Frühlingstagen gießen gehen. Der Baum könnte eine lange Zukunft vor sich haben.