Acht Jahre nach der Übernahme soll der Essener Traditionskonzern Ruhrgas zerlegt werden. Auch die Bundesregierung hat ein Mitspracherecht bei der Zerschlagung der Eon-Tochter.
Essen.
Auf den tiefroten Fahnen, die vor der Essener Firmenzentrale wehen, trennt schon jetzt ein dicker weißer Schrägstrich die Namen Eon und Ruhrgas. In den Abendstunden leuchtet am Gebäude ohnehin nur noch der Schriftzug des Düsseldorfer Mutterkonzerns Eon. Es wirkt symbolisch. Schließlich verdichten sich die Hinweise, dass Eon die traditionsreiche Tochterfirma Ruhrgas zerschlagen will. Acht Jahre nach der umstrittenen Übernahme soll der Gaskonzern aus dem Revier in mehrere Teile zerlegt werden.
Eon hatte die Übernahme im Jahr 2003 gegen den Willen der Wettbewerbshüter im Kartellamt durchgesetzt. Erst eine Sondergenehmigung aus dem Bundeswirtschaftsministerium („Ministererlaubnis“) machte den Weg frei für die Pläne der damaligen Konzernchefs Ulrich Hartmann (Eon) und Burckhard Bergmann (Ruhrgas). Es regierte die rot-grüne Koalition mit Kanzler Gerhard Schröder (SPD) an der Spitze. Der damalige Wirtschaftsstaatssekretär Alfred Tacke (SPD) war es, der die Ministererlaubnis verkündete. Wirtschaftsminister Werner Müller, der später als Chef an die Spitze des Essener RAG-Konzerns wechselte, hatte die Entscheidung an Tacke übertragen. Müller wurde eine mögliche Befangenheit vorgeworfen, denn er war früher beim Eon-Vorläufer Veba beschäftigt. Auch Tacke wechselte übrigens später in die Energiewirtschaft: Er übernahm den Chefposten bei der damaligen Evonik-Tochter Steag.
Der SPD-Chef reagierte wortkarg
Als Staatssekretär argumentierte Tacke, der Zusammenschluss von Eon und Ruhrgas bringe „wesentliche gesamtwirtschaftliche Vorteile“ mit sich. Zugleich werde die Position von Ruhrgas auf den internationalen Märkten gestärkt und so die langfristige Versorgungssicherheit gewährleistet. Doch acht Jahre nach der Ministererlaubnis wachsen die Zweifel daran, dass Ruhrgas tatsächlich von der Fusion profitiert hat.
SPD-Chef Sigmar Gabriel reagierte wortkarg, als er bei seinem Besuch in der Eon-Zentrale von einem Journalisten gefragt wurde, ob die Ministererlaubnis rückblickend als Fehler bezeichnet werden müsse. „Da kann ich Ihnen nichts zu sagen. Ich habe sie nicht getroffen“, sagte Gabriel lediglich.
Die Bundesregierung hatte sich Mitspracherechte für den Fall eines Ruhrgas-Verkaufs einräumen lassen. So darf das Wirtschaftsministerium einschreiten, wenn „energiepolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt werden“, wie es in dem 95 Seiten dicken Dokument zur Ministererlaubnis heißt.
Keine Zukunft mehr im Eon-Konzern
Die Firma Ruhrgas scheint jedenfalls in ihrer bisherigen Form keine Zukunft mehr im Eon-Konzern zu haben. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht ein möglicher Verkauf der Konzerntochter Open Grid Europe (OGE), die das größte Ferngasnetz Deutschlands mit einer Länge von etwa 12 000 Kilometern betreibt. Durch die Leitungen des Unternehmens mit Sitz in Essen strömt ein Großteil des deutschen Erdgases. OGE beschäftigt bundesweit 1800 Mitarbeiter, mehrere hundert davon in Essen. Dem Vernehmen nach befindet sich der Verkaufsprozess noch am Anfang, Verhandlungen mit Bietern gibt es noch nicht. Gleichwohl beflügelte allein die Spekulationen über einen Eigentümerwechsel die Fantasie der Anleger an der Börse. Die Eon-Aktie verteuerte sich zeitweise um vier Prozent.
Eon hatte angekündigt, im Konzern 11 000 Stellen streichen zu wollen. Seit Tagen wird außerdem darüber spekuliert, dass Eon-Chef Johannes Teyssen Teile der Geschäfte von Ruhrgas mit der in Düsseldorf ansässigen Tochter Energy Trading verschmelzen könnte, die ebenfalls mit Gas handelt.
Auch RWE hat verkauft
Auch aufgrund des Drucks der Wettbewerbshüter ist es heute für Energieversorger unattraktiver geworden, Eigentümer der Gasnetze zu sein. Früher war das Netz ein echter Machtfaktor, mittlerweile erzwingen Regulierungsbehörden den freien Zugang zum Netz und legen Maximalrenditen fest. „Aufgrund von Vorgaben der Politik müssen wir OGE völlig getrennt von Eon führen“, klagte Teyssen im Interview mit dieser Zeitung. „Nur ein Beispiel: Ab dem nächsten Jahr darf ich einen Geschäftsführer, der bei OGE gearbeitet hat, fünf Jahre lang nicht mehr im Konzern einstellen.“ Erst kürzlich hatte auch der Essener Eon-Konkurrent RWE seine Gasnetz-Tochter Thyssengas verkauft.