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„Ich bin stolz, ein Neger zu sein“: Rassismus-Vorwurf gegen Karnevalsverein

„Ich bin stolz, ein Neger zu sein“: Rassismus-Vorwurf gegen Karnevalsverein wegen Blackfacing

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Der Karnevalist Wolfgang Schuster hält am 23.02.2017 in Petersberg (Hessen) einen Rahmen mit zwei Bildern, die eine Gruppe des Karnevalvereins Südend Fulda (oben) und ihn selbst in seiner Verkleidung als „Neger vom Südend“ (unten) zeigen. Dem  Verein wird vorgehalten, Rassismus und koloniale Bildwelten zu verbreiten. VERWENDUNG ALS AUSSCHNITT NICHT GESTATTET. (zu dpa „Frohsinn ade: Rassismusvorwurf und Polizeischutz bei Rosenmontagszug“ vom 24.02.2017) Foto: Jörn Perske/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ Foto: dpa
  • Die Stimmung vor dem größten Rosenmontagszug in Hessen ist getrübt
  • Einem Fastnachtsverein wird wegen seiner traditionellen Kostümierung Rassismus vorgeworfen
  • Die Polizei befürchtet Übergriffe

Fulda. 

„Ich bin stolz, ein Neger zu sein“, sagt Wolfgang Schuster und blickt daheim wehmütig auf Fotos, die ihn fröhlich bei der Fuldaer Fastnacht zeigen. Der 75 Jahre alten Rentner ist darauf schwarz geschminkt, trägt eine Perücke mit einem großen Knochen daran, eine Knochen-Kette und Leoparden-Fell.

So lief er viele Jahre unter anderem beim Rosenmontagszug, dem größten in Hessen, mit. Doch am kommenden Montag wird er die wilden Knochen weglassen und sich nicht mehr schwarz schminken. Schuster und der gesamte Karnevalverein Südend Fulda sehen sich Rassismusvorwürfen ausgesetzt. Wegen möglicher Übergriffe bekommen sie beim Umzug sogar Polizeischutz.

Polizei fürchtet Attacken auf Narren

Polizeisprecher Martin Schäfer sagt: „Es ist traurig, dass so etwas nötig ist.“ Aber die Beamten können nicht ausschließen, dass Zaungäste die Karnevalisten attackieren. Man habe Hinweise, die auf eine erhöhte Gefährdung deuten.

Von handfesten Angriffen, über Farbbeutel-Attacken oder Zug-Blockaden erscheine vieles möglich. Deswegen werden Beamte die etwa 100 Teilnehmer des Vereins im Zug begleiten – und mögliche Übergriffe mit einer Bodycam aufzuzeichnen versuchen.

Personenschutz für Narren – „so etwas hat es noch nicht gegeben. Das ist ein Novum – bei uns und wohl auch an anderen Orten“, sagt Schäfer, der von einem „Riesen-Hype“ rund ums Thema berichtet.

Hochschul-Mitarbeiter stören sich am Blackfacing

Auslöser für die Provinz-Posse ist Kritik von Sozialwissenschaftlern. Sie sind Mitarbeiter der Hochschule Fulda, äußern sich aber als Privatpersonen. Sie werfen dem Verein vor, Rassismus und koloniale Bildwelten zu verbreiten.

Denn die Mitglieder des Südend tragen Kolonialuniformen und stellen Schwarze in parodierender Weise dar. „Dadurch wird Völkermord, Unterdrückung und Entrechtung verharmlost und gutgeheißen“, heißt es in einer Mail, die breit gestreut wurde.

„Menschenverachtende Praktiken“

Die Aktivisten fordern, der Verein müsse seinen Auftritt verändern: Verschwinden müssten die Kolonialuniformen und das Blackfacing, bei dem Weißen ein schwarzes Gesicht gemalt wird. Die Darstellungsformen des Vereins seien „herabwürdigende, menschenverachtende und rassistische Praktiken“.

Der Vorsitzende des Karnevalvereins, Andreas Beck, sagt dazu: „Die Vorwürfe sind ungeheuerlich. Man muss schon viel Fantasie haben, uns wegen der Uniformen Fremdenfeindlichkeit anzudichten.“ Letztlich seien das Fantasie-Uniformen.

Narren halten Kritik für maßlos überzogen

Beck findet auch: „Die Gesellschaft wird immer dünnhäutiger. Es gibt immer mehr Leute, die sich in ihren Befindlichkeiten verletzt fühlen. Man denke nur an die Verwendung der Worte: Negerkuss oder Zigeunerschnitzel.“

Michael Hamperl, Präsident der Fuldaer Karnevalgesellschaft, die den Rosenmontagszug mit seinen Zehntausenden Besuchern organisiert, hält die Rassismus-Kritik für maßlos überzogen. Viele Vereine bezögen sich auf eine geschichtliche Epoche.

„Aber es wird doch dadurch nicht die Unterdrückung verherrlicht. Wäre der Vorwurf berechtigt, dass man die Ereignisse einer Zeit gutheißt, wenn man ein Kostüm aus ihr trägt, dann kann man die Fastnacht sofort einstellen.“

„Neger vom Südend“ ist traurig über Verzicht

Als Zugeständnis an die Kritiker, und um nicht Öl ins Feuer zu gießen, verzichten die Narren vom Südend nun auf das Blackfacing, wie der Vereinsvorsitzende Beck sagte. Wolfgang Schuster, der „Neger vom Südend“, ist traurig darüber, dass er sich nicht mehr schwarz schminken wird.

„Die Menschen freuen sich schließlich, wenn sie mich an Karneval sehen. Sie fotografieren mich und strecken mir den Daumen anerkennend entgegen.“ Aber auch Schuster sagt: „Wir wollen niemanden provozieren.“ (dpa)