Veröffentlicht inPanorama

Früher war für das Sportstudio im ZDF alles besser

Früher war für das Sportstudio im ZDF alles besser

picture-583793373665235857954411780.jpg
Das Sportstudio im ZDF war einst innovativ und neu, mutig und neugierig. Jeder wollte Gast sein, die Moderatoren förderten viel Neues zu Tage. Mittlerweile müssen Promis mehrfach angefragt werden, bis sie überhaupt in die Sendeanstalt in Mainz kommen. Und dann haben sie auch noch Extrawünsche.

Mainz. 

Legenden und Mythen speisen ihre Faszination aus besonderen Ereignissen. Und diese Faszination wird auch nicht entzaubert, wenn die Wahrheit ein wenig anders aussah. Wer an das Aktuelle Sportstudio im ZDF denkt, dem kommt unweigerlich ein Interview mit dem Boxer Norbert Grupe aus dem Jahr 1969 in den Sinn. Der „Prinz von Homburg“ hatte sich vorab über Moderator Rainer Günzler geärgert und sagte minutenlang, so die landläufige Meinung, kein Wort. Stimmt aber gar nicht. Der wortkarge Grupe beantwortete ziemlich gelangweilt immerhin drei Fragen.

Es ist nur einer der legendären Momente aus der Historie des Aktuellen Sportstudios. Heute feiert das erstmals am 24. August 1963 gesendete Format 50. Geburtstag.

Beckenbauer und das Bierglas

Weitere denkwürdige Geschichten? Franz Beckenbauers Treffer an der Torwand 1994. Der Ball lag beim Schuss auf einem vollen Weizenbier-Glas. Der Hass-Streit zwischen Christoph Daum und Uli Hoeneß und deren Sekundanten Jupp Heynckes und Udo Lattek 1989. „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“, johlten die Zuschauer im Studio. Der Versprecher von Moderatorin Carmen Thomas, die 1973 ein Spiel von Schalke 05 ankündigte. Und der freche Schimpanse, der Maria, Gattin von Hollywood-Tarzan Johnny Weissmüller, 1973 die Perücke vom Kopf riss. Lang, lang ist’s her.

Wie die letzte Anekdote zeigt, ging es im Sportstudio auch früher nicht immer nur um Sport, sondern auch um Unterhaltung. Moderator Wim Thoelke präsentierte Bademode, Models zeigten Trikots der Bundesligisten und die Bayern-Mannschaft sang mit Trainer Udo Lattek ein Weihnachtslied. Folklore, die die Zuschauer damals verzückt beklatschten. Schräges gehörte zum Sportstudio. Heute schütteln die Nostalgiker indes den Kopf, wenn Toni Kroos im Interview von Hartmut Engler, Sänger von Kroos’ Lieblingsband Pur, überrascht wird.

Gäste standen Schlange

Für das Sportstudio ist es am Ende eines langen Fußball-Samstags schwer, das Profil zu schärfen. Jahrzehntelang rollte der Ball nur bei ARD und ZDF. Gäste standen Schlange. Da wurden in 75 Minuten schon mal sechs Besucher untergebracht. Fußball-Legende Pelé schaute am Mainzer Lerchenberg vorbei. Steffi Graf brachte ihre Eltern mit. Bundeskanzler Willy Brandt plauderte mit Hanns Joachim Friedrichs. Angela Merkel heute an der Torwand? Undenkbar.

Mit der Sendervielfalt und der Kommerzialisierung ging der Bedeutungsverlust des Sportstudios einher. Das wird heute auch gerne Fußball-Studio genannt, weil in dem monothematischen Format kaum noch Platz für anderen Sport ist. Bis das ZDF indes am späten Abend die Spiele der Bundesliga zeigt, wurden alle Tore und Szenen schon woanders drei Mal rauf und runter gesendet. Einzig mit den ersten Free-TV-Bildern aus dem Abendspiel kann das Format punkten. Bei Bayern gegen Dortmund geht die Post ab. Das Duell kann auch Wolfsburg gegen Hoffenheim lauten. Und torlos enden.

Es fehlt schon mal die Tiefen-Schärfe

Mit der Bedeutung des Sportstudios hat auch das Interesse der Gäste abgenommen. Die müssen zeitig angefragt werden und verbitten sich schon mal Fragen, wie Paul Breitner Ende April zum Thema „Uli Hoeneß und Schweizer Steuermodelle“. Die Moderatoren Katrin Müller-Hohenstein, Sven Voss und Michael Steinbrecher fördern nur noch selten wirklich Neues zu Tage. Bei kritischen Themenbereichen fehlt schon mal die Tiefen-Schärfe. Der Gast soll ja wiederkommen.

Die Besucher aus dem Profifußball flüchten sich gerne in Allgemeinphrasen. Häme für Farblosigkeit nehmen sie in Kauf, wohlwissend, dass ihnen forsche und selbstbewusste Töne von den selben Kritikern bei nächster Gelegenheit als arrogante und großmäulige Wortattacken ausgelegt werden. So reden die Gäste im Sportstudio vor jeweils zwei Millionen TV-Zuschauern am späten Samstagabend zwar oft viel. Sie sagen aber wenig. So wie 1969 der Prinz von Homburg.