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Der tiefe Fall des Star-Managers Thomas Middelhoff

Der tiefe Fall des Star-Managers Thomas Middelhoff

Der ehemalige Arcandor-Chef Thomas Middelhoff ist zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Weil das Gericht bei dem in Frankreich lebenden Manager Fluchtgefahr sieht, hat es Haftbefehl erlassen. Kein rühmliches Ende für den einstigen Sunnyboy der deutschen Wirtschaft.

Schlagartig ist er alt geworden. Innerhalb von Stunden, ja Minuten um Jahre gealtert. Es ist kaum mehr was übrig vom jungenhaften Strahlemann Dr. Thomas Middelhoff (61), dem ehemaligen Sunnyboy der deutschen Wirtschaft. Als die XV. Große Wirtschaftskammer am Landgericht Essen vor wenigen Stunden ihr Urteil sprach, hatte das Entsetzen tiefe Furchen in das bleiche, versteinerte Gesicht Middelhoffs gegraben. Der ehemalige Chef der Konzerne Arcandor (u.a. Karstadt) und Bertelsmann soll wegen Untreue und Steuerhinterziehung drei Jahre hinter Gefängnisgitter. Noch nie ist ein deutscher Topmanager so tief gefallen.

Das Gericht befand Middelhoff für schuldig: Der Angeklagte habe Flüge und eine Festschrift falsch abgerechnet sowie bei Karstadt in die Kasse gegriffen und so einen Schaden von über 800.000 Euro verursacht. Als Arcandor-Chef habe er bei der Rettung von Karstadt keine Zeit gehabt, auf der Autobahn im Stau zu stehen, sondern lieber den Hubschrauber oder einen Privatjet genommen, so die Middelhoff-Version.

Dazu sagte Middelhoff in seinem Schlusswort: „Ich habe in den Jahren bei Arcandor 200 von 625 Flügen selbst bezahlt und dafür rund 2,5 Millionen Euro aufgewendet. Ich kenne keinen Vorstandschef, der sich in diesem Umfang privat an Kosten beteiligt hat. Schon das widerlegt das Bild der Staatsanwaltschaft, dass ich systematisch in die Kassen des Unternehmens gegriffen hätte.“

Doch der Vorsitzende Richter Jörg Schmitt wollte dem nicht folgen. Er sagte laut „spiegel.de“, dass Middelhoff teils „hilflose und abenteuerliche Erklärungsversuche“ geboten habe. Das Gericht sei überzeugt, dass Middelhoffs Einlassungen an entscheidenden Stellen des Prozesses „nicht vom Willen des ehrlichen Umgangs, sondern von verteidigungstaktischen Motiven geprägt“ waren. Schmitt habe selten einen Angeklagten erlebt, der sich in einem Prozess so oft widersprochen habe.

Insgesamt hat das Verfahren mit den Ermittlungen und dem anschließenden Prozess fünf Jahre gedauert. Diese Zeit, so Middelhoff, habe ihn zutiefst in seiner Ehre verletzt und zum Verlust seiner beruflichen Reputation geführt.

In diesen Jahren wurde der Öffentlichkeit immer deutlicher ein mehr oder minder gescheiterter Erfolgsmensch mit einem Hang zum Luxus präsentiert, der seinen Abstieg vom Leiter eines Weltkonzerns (Bertelsmann) zum Gejagten von Gläubigern nicht wahrhaben kann oder will. Mal versuchte sein ehemaliger Vermögensberater Josef Esch 2,5 Millionen Schulden einzutreiben, mal forderte der Unternehmensberater und ehemalige Middelhoff-Geschäftspartner Roland Berger 6,79 Millionen Euro ein. Zudem gab es Medienberichte, nach denen das Ehepaar Middelhoff seine Kredite in Höhe von ca. 3 Millionen Euro bei der Sparkasse Köln-Bonn nicht mehr bediene.

Dabei hat der 61-Jährige immer wieder betont, dass er keineswegs pleite, sondern nur gerade nicht flüssig sei, weil sein Privatvermögen bei Sal. Oppenheim, einer Tochter der Deutschen Bank, aus juristischen Gründen eingefroren sei. Immerhin soll es sich um mindestens 30 Millionen Euro handeln. „Alles, was ich mir erarbeitet habe, ist dort seit fünf Jahren widerrechtlich blockiert.“

Der smarte Manager, der noch vor 15 Jahren mit brillanten Analysen des weltweiten Mediengeschäfts der Zukunft glänzte, machte zuletzt nur noch Schlagzeilen über bei ihm erfolgte Taschenpfändungen und einen sportlichen Sprung aus dem Fenster, als er vor neugierigen Fotografen auf der Flucht war.

Im Mai 2014 schrieb die „Süddeutsche Zeitung“: „Der Mann, der einst bei Bertelsmann für den profitablen Verkauf von AOL-Anteilen einen Sonderbonus von 40 Millionen Euro kassierte, ist von Gläubigern umzingelt. So klingelte kurz vor Weihnachten 2013 ein Gerichtsvollzieher an Middelhoffs Bielefelder Villa. Josef Esch hatte ihn geschickt. Middelhoff und er streiten seit Jahren um Charter- und Unterhaltskosten für die 33 Meter lange Luxusyacht Medici, die für Middelhoff im südfranzösischen Saint Tropez vor Anker lag. Das Schiff kostete 72.000 Euro Unterhalt – pro Monat.“

In Bielefeld wohnt die Familie Middelhoff – drei Söhne, zwei Töchter – längst nicht mehr. Seiner frankophilen Frau Cornelie, eine Architektin, zuliebe sei man nach St. Tropez an die Côte d’Azur gezogen. Seine Nachbarn sind die Ex-Frau des russischen Oligarchen und Eigners des Londoner Renommierclubs FC Chelsea, Roman Abramowitsch, sowie der belgische Milliardär Albert Frère.

Ein Häuschen am Meer? Ein Reporter der „Süddeutschen Zeitung“ geriet angesichts der Middelhoff’schen Villa Aldea ins Schwärmen: „Die Gartenanlagen des Anwesens sind so groß, dass sich ein Fremder darin verlaufen kann. Außer der Villa stehen da auf dem weitflächigen Grundstück noch Häuser für Gäste und Personal, es gibt Pools, einen Tennisplatz, einen Pinienwald, Palmen, einen Hubschrauberlandeplatz. Eine Hausangestellte serviert Wasser und Espresso.“ Den Wert des Besitzes in St. Tropez, mittlerweile der Hauptwohnsitz der Middelhoffs, schätzen Experten auf bis zu 30 Millionen Euro.

Und von was lebt Thomas Middelhoff? Wie unterhält er die „schuldenfreie“ Villa Aldea und die Angestellten? „Ich verdiene doch meinen Lebensunterhalt“, sagt er der SZ und verweist auf seine zahlreichen Termine in Europa und China. Er baue gerade wieder in Hongkong mit einem Mister Wu einen neuen Medienkonzern auf. „Warten Sie nur, da kommt demnächst was!“

Früher hätten ihn die Vorurteile über seine Person verletzt. „Mein Bild in der Öffentlichkeit ist so schlecht, dass ich es kaum noch verändern oder vernünftig damit umgehen kann. Ich bin für viele Deutsche der Idealtyp des gierigen Managers, der verantwortungslos um den Globus irrlichtert.“ Dieses Bild sei „völlig realitätsfern“, denn: „Ich bin weiß Gott kein durchgeknallter Typ.“

Das Urteil des Landgerichts Essen ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Es besteht noch die Möglichkeit einer Revision vor dem Bundesgerichtshof. Weil das Gericht aber eine Fluchtgefahr sieht, hat es einen Haftbefehl beantragt.