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Der geheimnisvolle Jonas Nay

Der geheimnisvolle Jonas Nay

Essen. 

In der kuscheligen „Filmbar“ der Essener Lichtburg steht Jonas Nay nach der Filmpremiere kurz nach 22 Uhr mit gleich zwei Getränken in den Händen. In der Linken eine kleine Flasche „Mirinda“, in der Rechten ein Glas Rotwein. „Normalerweise trinke ich keinen Alkohol“, meint der 24-Jährige fast entschuldigend. Aber er wolle gleich schlafen, wenn ein Fahrer ihn nach Berlin bringt. Und um im Auto ein wenig zu schlafen, sei der Rotwein bestimmt ganz gut. Denn am nächsten Morgen früh um sechs ist in der Hauptstadt bereits wieder Drehbeginn für ihn.

Jonas Nay ist gefragt bei Film- und Fernsehmachern, kein Wunder, wenn jemand so diszipliniert ist, dass er selbst nach einer heftig umklatschten Filmpremiere nur aus gewissermaßen medizinischen Gründen zum Rotwein greift. Doch die Disziplin allein ist es sicher nicht: Ein junges Gesicht, ausdrucksvolle Augen, fast so groß wie sein Talent, das ihm vor zwei Jahren bereits für das Cyber-Mobbing- Drama „Homevideo“ den Grimme-Preis und den Deutschen Fernsehpreis einbrachte und ihn jetzt in einem kleinen Film auf großer Leinwand bestehen lässt – neben dem gewaltigen Tobias Moretti.

Der gibt in dem Drama „Hirngespinster“ den immer wahnsinniger und bedrohlicher werdenden Familienvater. Jonas Nay spielt seinen Sohn, dessen Gesicht vielleicht auch deswegen so stark im Gedächtnis bleibt, weil nach einem Autounfall im Kleinkindalter eine Narbe und eine leichte Asymmetrie zurückgeblieben sind – die man erst etwas später wahrnimmt.

Hinter der sympathischen Oberfläche lauert ein kleines Geheimnis für den, der öfter und intensiver hinschaut – vielleicht ist auch das eines der Geheimnisse von Jonas Nay. Auf dem Filmplakat ist sein Name schon genauso groß gedruckt – und er steht nicht nur dort im Vordergrund: Der Film ist auch sein Film: Das Drama des Sohnes, ein junger Erwachsener, der von der Krankheit des Vaters fast erdrückt wird.

„Das ist für mich auch schauspielerisch so etwas wie der nächste Schritt, raus aus den Rollen als Schüler oder Teenager“, sagt Nay. Ein Schritt, der ihm augenscheinlich mit Leichtigkeit gelungen ist – der Schwere der Rolle zum Trotz, die ihm bereits wieder einen Preis einbrachte, dieses Mal den Bayrischen Filmpreis.

„Das Publikum, das den Film sieht, kommt anschließend ins Gespräch, hier in Essen genauso wie in meiner Heimatstadt Lübeck oder in München“, sagt Nay. Es gehe ja nicht nur um den Schizophrenie-Kranken, sondern eben auch darum, wie eine Familie mit einem großen Problem umgeht. „Das ist der rote Elefant im Wohnzimmer, über den aber eigentlich keiner spricht. Und ich glaube, solche roten Elefanten gibt es in Wahrheit in vielen Familien. Das zu zeigen, war mir wichtig.“

Auch das ist Jonas Nay: Einer, der nicht um jeden Preis vor der Kamera stehen will, auch wenn die Nachfrage sicher da ist, sondern einer, der auf Rollen mit Relevanz achten will – und sich auch schon mal im „Tatort“ als Mörder vor die Kamera locken lässt; oder als jugendlicher, rechter Krawallmacher, den er in dem Doku-Drama „Wir sind jung, wir sind stark“ verkörperte. In dem Film, der vor drei Wochen die Hofer Filmtage eröffnete, spielt er einen der Brandstifter bei dem Drama um das Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen 1992.

Urlaubssemester

Denn immer nur Opfer-Rollen – das will er nicht. „Wobei es für mich nicht um die Frage Opfer oder Täter geht, sondern um die Frage, wie aktiv oder passiv eine Rolle angelegt ist“, sagt Nay, der sich den Luxus der Rollen-Auswahl vielleicht auch deswegen leisten kann, weil der Film nicht seine einzige Leidenschaft ist.

Vielleicht ist der Film nicht einmal seine größte Leidenschaft. Da sei er so reingestolpert. Und für die ganzen neuen Filme hat er gerade mal Urlaubssemester genommen, in denen auch noch Platz für Mehrteiler für ZDF und RTL war. Doch zum Jahresende wird sein Herz vor allem wieder für die Musik schlagen. Auf die erste CD seiner Band „Northern Lights“ ist er fast so stolz wie auf einen Filmerfolg. Und dann will er dringend sein Studium als Jazzpianist wieder aufnehmen. In Bars könnte man ihn also künftig durchaus häufiger treffen. Beidhändiges Trinken kann man also bei ihm auch künftig ausschließen. Er braucht seine Hände dann ja zum Spielen.