- Wenn du Krav Maga kannst, musst du dich vor Überfällen weniger fürchten.
- Wir haben es für euch ausprobiert und gelernt: Es gibt keine Regeln.
Mülheim.
Die Waffe zielt genau zwischen meine Augen. Ich zögere. Hebe die Hände.
So schnell ich kann, packe ich den Lauf und reiße die Pistole nach unten.
Ich balle die Faust, schlage meinem Angreifer ins Gesicht. Das gibt mir Zeit, ihm die Waffe zu entreißen.
Geschafft.
So könnte es laufen, wenn ich auf der Straße bedrängt oder überfallen werde.
Alles ist erlaubt
„Krav Maga is about survival“ – es geht ums Überleben, sagt Itay Danenberg (33). Wir sind bei Krav Maga Mülheim und er hat meinem Kollegen Felix und mir gerade gezeigt, wie wir Gegner entwaffnen.
Danenberg spricht mit Nachdruck. Ihm ist wichtig, dass wir verstehen: Es gibt keine Regeln. Alles ist erlaubt. Selbst der Tod des Gegners.
Umbringen werde ich Felix nicht. Das hätte er nicht verdient. Die Pistole ist aus Gummi, und jetzt richte ich sie auf ihn.
Wir üben 20 Mal, 50 Mal. Morgen werden wir furchtbaren Muskelkater haben.
Kampftechnik der israelischen Armee
In der Welt des Krav Maga ist Itay Danenberg ein hohes Tier. Er ist Chefausbilder beim israelischen Militär.
Jeder Soldat und jede Soldatin in Israel lernt den Abwehrkampf, der 1948 für die israelische Armee entwickelt wurde. Auch Polizisten und Wachleute trainieren Krav Maga.
Vor sechs Jahren hat Danenberg den Verband Krav Maga International (KMI) gegründet, zusammen mit Ran Nakash und Ron Engelmann.
Jetzt trainiert er Ausbilder in der ganzen Welt. In den USA, in Mexiko, Australien, Frankreich. Natürlich in Israel.
In dieser Woche ist er dafür aus Tel Aviv ins Ruhrgebiet gekommen.
Immer wachsam bleiben
Das Spearhead Fitness Studio, in dem wir trainieren, gehört Ralf Pötschke. Er ist der einzige Vertreter von KMI in Deutschland.
Pötschke war Bundeswehr-Soldat, als er Itay Danenberg vor drei Jahren kennengelernt hat – bei einem Krav-Maga-Workshop.
Während die Teilnehmer auf den Bodenmatten schlafen und schnaufen, trinkt Danenberg lässig seinen Kaffee. Trotzdem ist er extrem präsent.
Auch das gehört zum Krav Maga: „Sei wachsam. Steh‘ gerade, sieh den Leuten in die Augen, sprich sie an. Ruhig und bestimmt.“
Heute würde jeder auf sein Telefon gucken. Leichte Beute.
„Jeder hat einen Plan, bis er ins Gesicht geschlagen wird“
Dennoch: Man kann so „da“ sein, wie man will, manchmal wird man eben doch angegriffen. Und dann kommt’s drauf an.
Reagieren unter Stress, mit Schmerzen, das will geübt sein. „Jeder hat einen Plan, bis er ins Gesicht geschlagen wird.“
Weil Schusswaffen hier in Deutschland nicht so üblich sind, frage ich Ralf Pötschke, ob er mir zeigt, wie ich mich gegen andere Angriffe wehren kann.
Wenn mich ein Mann würgt, zum Beispiel. Einer, der viel stärker ist als ich.
„Schlag ihm die Hände explosionsartig vom Hals weg“, sagt Pötschke. „Das gibt dir eine Sekunde. Lehn‘ dich nach hinten und tritt ihm voll in die Eier. Dann renn weg.“
Voll in die Eier
Ich versuche es – und mache genau, was er sagt: Ich trete ihm in die Eier. Ups.
Zum Glück bleibt Pötschke gelassen. Ich übe weiter, achte auf mein Bein. Mit jedem Mal werde ich sicherer.
Training ist wichtig beim Krav Maga. „Das Schöne ist, dass man keine 1000 Techniken lernen muss“, sagt Danenberg. „Lerne eine und wende sie auf zig Situationen an.“
Die Basics hat man also schnell drauf. Aber reflexartig und sicher zu reagieren, das braucht Zeit. Und Wiederholungen. Bis die Muskeln schmerzen.