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Arbeiten statt Bescherung: Diese Menschen sind echte Weihnachts-Helden

Arbeiten statt Bescherung: Diese Menschen sind echte Weihnachts-Helden

Arzt Lukas
Lukas Heiß (26) ist seit Dezember Arzt - an Weihnachten arbeitet er aber immer noch in der Pflege in seinem Heimat-Krankenhaus. Foto: Jana Gilfert
  • Weihnachten im Familienkreis für dich ganz klar?!
  • Diese drei Menschen sind an Heiligabend für andere Menschen da
  • Ein junger Arzt, eine Sozialarbeiterin und ein Pfarrer

Essen. 

Du feierst jedes Jahr besinnlich im Kreis deiner Liebsten und kannst es dir auch gar nicht anders vorstellen?

Nicht jeder hat das Glück, mit der Familie unterm Baum zu sitzen. Manche sind krank, auf Hilfe anderer angewiesen oder leider auch ganz allein.

Diese drei Menschen sind auch an Weihnachten für andere da – sie alle arbeiten freiwillig, oder feiern mit Menschen, die keinen mehr haben

Lukas Heiß (26) aus Essen, frischgebackener Arzt

Wo arbeitest du an Heiligabend?

Lukas: „Ich habe neben meinem Medizinstudium in Essen angefangen, im städtischen Krankenhaus Nettetal als studentische Aushilfskraft in der Pflege zu arbeiten. Seitdem ich dort arbeite, nehme ich freiwillig die Weihnachtsdienste an.“

Was machst du genau?

Lukas: „Ich bin als Pflegekraft auf der Intensivstation tätig. Ich betreue in der Regel zwei bis drei Patienten. Letztendlich mache ich fast alles: vom Medikamenten verabreichen bis zur Aktenpflege. Ich bin bei der Visite dabei, nehme Blut ab, pflege sie und überwache ihre Werte. An Heiligabend werde ich mit drei weiteren Kollegen auf Station sein.“

Warum machst du das?

Lukas: „Ich arbeite an Heiligabend, um den Kollegen, die eigene Kinder haben, die Möglichkeit zu geben im Kreis ihrer Familie zu feiern. Und außerdem habe ich das Glück, dass meine Eltern abends noch bis circa halb zehn mit dem Weihnachtsessen auf mich warten.“

Ist der Weihnachtsdienst anders als der normale Dienst?

Lukas: „Die Patienten, die wach sind, schätzen es unglaublich, dass wir uns um sie kümmern. Ich arbeite echt gerne an Weihnachten, da ich gerade an Heiligabend für andere Menschen da sein kann, die Hilfe brauchen. Und darum geht es ja auch bei diesem Fest: um Nächstenliebe.“

Kristin (22), Sozialarbeiterin

Wo arbeitest du an Heiligabend?

Kristin: „Ich arbeite in einer Einrichtung für suchtkranke Menschen, in der Nähe von Bochum.“

Was machst du genau?

Kristin: „Wir habe ein Programm für die Menschen organisiert, die im Betreuten Wohnen angebunden sind. Dies findet in unserer Einrichtung statt. Erst gibt es eine Messe, dann wird das Essen vorbereitet. Unsere Haushälterin bereitet es vorher schon vor: Gänsebraten mit Klößen und Rotkohl. Anschließend ist Bescherung. Jeder Klient bekommt ein individuelles Geschenk. Danach kann sich jeder aussuchen, ob er lieber am Filmabend im Wohnzimmer oder im Nebenraum am Spieleabend teilnehmen möchte. Insgesamt werden wir zwei Mitarbeiter und 30 Klienten sein.“

Warum machst du das?

Kristin: „Ich habe mich freiwillig für Weihnachten entschieden, weil einige der Klienten keine Familie mehr haben oder nicht zu ihr können. Wir fangen sie gerade an Weihnachten und Silvester emotional auf.“

Fehlt dir deine Familie nicht?

Kristin: „Ich glaube schon, dass sie mir fehlen wird. Meine Oma war total erstaunt, dass ich Weihnachten arbeiten bin. Ich arbeite bis 22.30 Uhr und werde danach noch mit meinen Eltern und Brüdern zusammen sitzen. Den Rest der Familie werde ich dann am ersten Weihnachtstag sehen.“

Bernd Holthaus (65), Pfarrer i.R. der Evangelischen Kirchengemeinde Essen-Rüttenscheid

Wo arbeiten Sie an Heiligabend?

Bernd Holthaus: „Ich veranstalte eine Weihnachtsfeier im Saal meiner Gemeinde in Essen-Rüttenscheid. Die ursprüngliche Idee war, dass Menschen, die sonst niemanden haben, hier zusammenkommen können, um ein schönes Fest zu feiern. Alleinstehende – vom Rentner über den Jugendlichen bis zum Obdachlosen – alle feiern hier jedes Jahr gemeinsam ein besinnliches Fest. Es sind aber auch Gemeindemitglieder dabei, die bei der Organisation helfen und den Gästen einen schönen Abend bescheren.“

Was machen Sie genau?

„Vor 25 Jahren hatte eine Freundin die Idee, dass man Weihnachten ja nicht alleine verbringen muss und hat die Veranstaltung ins Leben gerufen. Ich habe mitgeholfen und bin seitdem Heiligabend immer hier gewesen. Dieses Jahr organisiere ich den Abend das erste Mal alleine. Jeder, der Interesse hat, kann sich vorher anmelden. Bei diesem Fest sind es circa 50 Gäste – es werden aber wahrscheinlich mehr sein, da es auch immer ein paar gibt, die unangekündigt erscheinen. Es kommen viele ältere Menschen, die niemanden mehr haben – aber auch genauso Familien, die in großer Runde ein besinnliches Weihnachtsfest erleben möchten.“

Wie läuft der Abend genau ab?

„Wir beginnen mit der Vorstellungsrunde, die meist sehr emotional vonstatten geht. Die Menschen erzählen, warum sie hier sind und das hat leider auch oft einen traurigen Hintergrund. Manche haben ihren Partner verloren und sind nun alleine – andere kommen mit ihren Kindern nach einer Trennung. An Festen wie Weihnachten oder Silvester wird die Erinnerung an verlorene Liebste noch mal besonders schmerzhaft. Nach der Vorstellungsrunde werden aber alle von der guten Stimmung mitgezogen. Es gibt ein Weihnachtsbuffet, es wird gemeinsam gesungen, miteinander geredet und Geschichten werden vorgetragen. Das Programm geht bis 23 Uhr – wenn man möchte, kann man danach noch den Weihnachtsgottesdienst besuchen. Für die Menschen, die weiter weg wohnen, werden vorher Taxen bestellt. Die werden, genauso wie der restliche Abend, von unserer Kirchengemeinde getragen.“

Warum machen Sie das?

„Ich finde es schon eigenartig, dass sich die Menschen gerade am Heiligen so ins Private zurückziehen. In den vergangenen 25 Jahren habe ich gemerkt, Weihnachten muss eigentlich mit vielen verschiedenen Menschen zusammen gefeiert werden. Dort kann man die Gemeinschaft und den Geist von Weihnachten spüren. Ich kann es mir für mich auch gar nicht mehr anders vorstellen. Und es ist auch ein gutes Gefühl, an Weihnachten für andere Menschen da sein zu können.“

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