Die Ruhrkohle AG muss einem Nachbarn der Zeche Bergwerk Saar wegen beeinträchtigter Lebensqualität 1140 Euro Entschädigung zahlen. Die vom Bergbau ausgelösten Erdstöße seien beträchtlich gewesen. Ob auf die RAG nun auch in NRW eine Klagewelle zulaufen wird, ist offen.
Essen.
Das Verfahren mit dem Aktenzeichen 3AC80/06 versetzte am Freitag Tausende Zechen-Nachbarn im Saarland und in NRW in Aufregung. Können sie mit einer Entschädigung für bergbaubedingte Erdstöße rechnen? Noch ist das Urteil des Landgerichts Saarbrücken nicht rechtskräfig. Wegen der „grundsätzlichen Bedeutung“ hat es Berufung zugelassen. Es geht um viel – auch um viel Geld.
Die Ruhrkohle AG (RAG), so das Gericht, muss einem Hausbesitzer aus dem saarländischen Lebach 1140 Euro Entschädigung zahlen. Der Kohleabbau der Zeche Bergwerk Saar habe von Januar 2005 bis April 2006 zu gravierende Erdstößen geführt. Das zumutbare Maß sei dabei überschritten worden, urteilte die 13. Zivilkammer mit Bezug aufs Nachbarschaftsrecht.
Die Stadt Lebach, die ihren Bürger in dem Musterprozess auch finanziell unterstütz, war zufrieden. „Wir wollen, dass viele unserer Bürger einen Ausgleich erhalten für das, was sie erdulden mussten“, sagte Stadtsprecher Toni Bartz dieser Zeitung. Bereits 2500 Menschen aus Lebach und Umgebung hätten Ansprüche angemeldet. Bis zu 5000 Haushalte seien betroffen.
Stadt Lebach unterstützt den Musterprozess
Im Umfeld des Bergwerks Saar war es in der Vergangenheit wegen brechender Gesteinsschichten regelmäßig zu Erdstößen gekommen. Für Schlagzeilen sorgte vor allem jener im Februar 2008. Zwei- bis dreimal pro Woche hatte zuvor der Boden rund um Saarlouis gewackelt, berichtete das Geologische Landesamt, dann folgte der heftigste Schlag. Das Beben der Stärke 4 beschädigte viele Gebäude. Menschen liefen erschrocken ins Freie. Es gab wütende Proteste. Die Ruhrkohle reagierte, stoppte den Abbau und verlegte ihn in ein anderes Gebiet. Mitte nächsten Jahres wird das Bergwerk Saar endgültig geschlossen.
Das Gericht in Saarbrücken urteilte: Die RAG muss nicht nur für Sachschäden aufkommen, die Berbau-Beben auslösen. Sie muss auch zahlen, wenn sie das Leben von Anwohnern beeinträchtigen. Voraussetzung: Es muss häufigbeben oder heftig. Der Kläger hat die Stöße nachzuweisen.
Einen detaillierten Kriterien-Katalog hat die 13. Zivilkammer bisher nicht veröffentlicht. Er dürfte entscheidend dafür sein, ob die RAG mit einer Klagewelle und hohen Kosten rechnen muss. Während die Stadt Lebach glaubt, das Urteil könne den Menschen im Umfeld der NRW-Zechen West (Kamp-Lintfort), Prosper-Haniel (Bottrop), Auguste-Victoria (Marl) und Ibbenbühren nutzen, ist die RAG anderer Meinung.
„Das Urteil trägt nicht für NRW“, sagt die Ruhrkohle
„Das Urteil trägt nicht für NRW“, sagte RAG-Sprecher Christof Beike. Zwar gebe es auch hier Erschütterungen, aber nicht so häufig und nicht so stark wie im Saarland. „Wir werden das Urteil prüfen und dann entscheiden, ob wir in Berufung gehen“, so Beike.
Der Landesverband Bergbaubetroffener NRW – er vertritt acht Bürgerinitiativen und 5000 Mitglieder – wartet gespannt auf die Urteilsbegründung. „Wenn es Kriterien gibt, sind diese leicht zu überprüfen“, sagte Geschäftsführer Ulrich Behrens dieser Zeitung. Seien sie erfüllt, „werden die Gerichte in NRW wohl nicht anders entscheiden als im Saarland.“ Messwerte über die Erdstöße im Umfeld der NRW-Zechen lägen vor.