Es ist das Ende einer Ära: Deutschland hat die Wehrpflicht abgeschafft. Wie haben unsere Leser diese Zeit erlebt? Jens aus Essen erinnert sich an eine desolate Truppe – die dennoch auf einem hohen Ross saß.
Ich wurde seit meinem 18. Lebensjahr jahrelang „T4“, also vorübergehend verwendungsfähig gemustert. 1994 dann im Alter von 23 Jahren wurde ich bei einer der zahlreichen Nachmusterungen plötzlich „T2“, ohne dass meine Wehwehchen „geheilt“ gewesen wären. Die Einberufung erfolgte für den Aprillehrgang 14 Tage später ins Jägerbataillon 542 nach Bexbach im Saarland. Dass ich Widerspruch gegen das Musterungsergebnis mit guten Erfolgschancen auf eine vollständige Wehrunfähigkeit hätte einlegen können, wurde mir erst in der Kaserne mitgeteilt.
In der Kaserne angekommen, stellte ich fest, dass die Sinnkrise mit Wegfall des Feindbildes Warschauer Pakt der Verteidigungsarmee Bundeswehr allumfassendes Chaos bescherte, zumindest in einer Steinzeiteinheit wie den Jägern. Unimogs mussten von den Fallschirmjägern in Lebach ausgeliehen werden; Munition für die Maschinengewehrschießübungen war nicht vorhanden; die Hälfte der Pkw (Iltis und Wolf) waren nicht fahrtauglich.
Dazu kam dann ein Drill, der mich an die Verfilmungen von „Im Westen nichts Neues“ und „Die Brücke“ erinnerte. Ich verweigerte dann den für mich ziemlich sinnlosen Wehrdienst und wurde pünktlich zur Vereidigung anerkannt und leistete den für mich bedeutend sinnvolleren Zivildienst in einem Schwerstbehindertenwohnheim ab.
An eine Situation erinnere ich mich noch deutlich: Zur Begrüßung hielt der Bataillonschef, Oberstleutnant Wolf, eine Rede. Eine Passage höre ich noch heute, wenn ich an die drei Monate Bund denke: „Über die Hälfte Ihrer Altersgenossen wählt den leichteren, feigen Weg und verweigert den ehrenvollen Waffendienst für das Vaterland.“
Auch abgesehen von der markigen und ein wenig gestrigen Wortwahl kann ich diese Äußerung absolut nicht bestätigen.
Jens aus Aachen, heute Essen